2 Gründe warum Planungen als Vertrauensarena so wichtig sind

2 Gründe warum Planungen als Vertrauensarena so wichtig sind

Wir verstehen Planungen oft falsch. Man erwartet von ihnen, dass sie die Zukunft vorhersagen und so eine sichere Entscheidungsgrundlage bieten. Das trifft jedoch nicht zu. Sie sagen die Zukunft nicht vorher. Eine zukünftige Gegenwart wird niemals so sein, wie sie in einer Planung erscheint. Sie ist aber als Vertrauensarena wichtig. 

Gründe für die Unsicherheit von Planungen gibt es viele. Sie lassen sich in einem wirtschaftlichen Umfeld auf ein Muster zurückführen. Wer plant, unterliegt nämlich gerne der Illusion, er selbst könne sich frei entscheiden und damit zukünftige Ereignisse bestimmen. Man übersieht dabei, dass auch alle anderen Teilnehmer von Märkten entscheiden und sich dabei an ihren Erwartungen orientieren. So planen alle Marktteilnehmer mit ihren eigenen Erwartungen von den Erwartungen der anderen. Vorhersagen sind wegen dieser Selbstbezüglichkeit nicht möglich. In der Wirtschaft sind Vorhersagen grundlegend unsicher.

Wegen dieser elementaren Unsicherheit planen wir mit einer Fiktion. Sie umfassen die Vorstellung von kausalen Zusammenhängen, die von unserer gegenwärtigen Vorstellung der Zukunft zu einer zukünftigen Gegenwart führen. Die Illusion besteht, weil wir kausale Zusammenhänge unterstellen.

Wer die Planung als eine Fiktion erkennt, lehnt sie gerne ab, weil sie zukünftige Gegenwarten nicht vorhersagt. Das ist jedoch nicht richtig. Sie hat eine wichtige andere Funktion. Die eigentliche Fiktion, dass wir uns Kausalität vorstellen, kann auch motivieren und eine Quelle der Kreativität sein.

Entscheidungen brauchen eine Grundlage

Um wirtschaftlich zu handeln, treffen wir Entscheidungen, für die wir eine Grundlage brauchen. So rechtfertigen wir sie uns selbst und anderen gegenüber. Wenn wir über die Zukunft entscheiden, Prognosen aber unsicher bleiben, dann brauchen wir eine andere Grundlage. Diese finden wir in einer plausibilisierten Quasigewissheit, die wir durch hinreichende Gründe für eine zukünftige Gegenwart finden.

Es ist eine gewagte Vorstellung der Ökonomie, dass wir in einem klassischen Sinn rational entscheiden. Wenn wir entscheiden, reicht es tatsächlich aus, dass wir eine narrative Gewissheit haben. Diese erreichen wir durch eine plausible Erzählung, die eine Art Versicherung ist, richtig zu handeln. Dabei wissen wir nicht genau, ob und wie zukünftige Ereignisse eintreten. Die Versicherung gewährleistet, dass eine Handlung anschlussfähig ist. Sie garantiert jedoch nicht das beste Ergebnis zu prognostizieren.

Unter Unsicherheit müssen wir überdenken, was rationales Handeln bedeutet. Wir sollten so handeln, dass wir nicht enttäuscht werden. Auch sollten wir vermeiden, handlungsunfähig zu sein, falls die Dinge anders laufen als erwartet. Wenn wir Zukunft als Möglichkeitsraum verstehen, dann ist es für uns möglich, anders zu handeln. Wir benötigen dann für jede Form der Zukunft ein Handlungsprogramm, damit wir reaktions- und adaptationsfähig disponieren.

Planung als Vertrauensarena

Mit der Idee einer Vertrauensarena interpretieren wir die Vorhersage anders als in der klassischen Vorstellung. Sie besteht jetzt aus unserer Erzählung eines Entscheidungsraums für die Gestaltung zukünftiger Gegenwarten. In ihr trauen wir uns, zu entscheiden. Dabei müssen wir nicht sicher sein, dass das, was wir uns darin vorstellen, tatsächlich eintritt. Wir finden eine fiktive Gewissheit, die ausreicht, um zu entscheiden.

Der Gewinn besteht darin, ein gemeinsames mentales Modell zu haben, das Orientierung schafft. Mitglieder eines Teams orientieren sich an diesem Modell mehr oder weniger kohärent. Sie richten ihr Verhalten am Modell und aneinander aus. Dabei schaffen sie Möglichkeiten für neue Ideen und machen ihr Verhalten berechenbar.

Die Vertrauensarena sorgt so dafür, dass Mitglieder des Teams ihr Verhalten als Team genauer einschätzen. Das betrifft Kommunikationen auf der Hinterbühne, Trends und Verhaltensänderungen. Vorhersagen bleiben ungenau. Das Team passt sie aber auf Sicht mit weiteren Informationen an und präzisiert sie. Die Erzählung des Entscheidungsraums macht sichtbar, was anders verlaufen oder überraschen könnte. Sie eröffnet den Blick auf alternative und parallele Szenarien und erlaubt, zumindest auf der Hinterbühne, die Diskussion von Nichtwissen.

Gewinn an Möglichkeiten

Die Fähigkeit des Teams, ihr eigenes Verhalten besser einzuschätzen, erhöht die Bereitschaft, auf neue Situationen zu reagieren. Sie erlaubt es, Entscheidungen zu delegieren und sie dabei auch zu einem gewissen Grad abweichen zu lassen. Dies geschieht, ohne das Risiko zu erhöhen, dass sie nicht anschlussfähig sein werden. Jens Beckert („Imaginierte Zukunft: Fiktionale Erwartungen und die Dynamik des Kapitalismus“) geht davon aus, dass diese Art der Anschlusskultur wesentlich ist für die Dynamik des Kapitalismus.

Unerwartetes bleibt natürlich nicht aus. Es führt zu Vorhersagefehlern, die soziale Systeme erkennen und daraufhin ihr Verhalten anpassen. Der Prozess folgt der Idee, dass soziale Systeme fortlaufend ein mentales Modell erzeugen und aktualisieren. Die notwendige Fiktion des Modells ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Wir können nicht anders als uns vorzustellen, was geschehen wird, um es dann bestätigt zu finden oder zu korrigieren. Dabei erzählen wir uns immer die gleiche Geschichte von uns selbst und von dem, was uns umgibt. Wir revidieren sie, wenn uns unsere Beobachtungen überraschen oder irritieren.

Unsere Erzählung von uns selbst und vom Entscheidungsraum eröffnen uns dabei neue Möglichkeiten. Die Vertrauensarena ist eine öffnende Versicherung neuer Handlungsfelder. Durch das Verfahren des ’sich-versicherns‘ schaffen wir einen Zugewinn an Anschlussmöglichkeiten. Auf diese Weise folgen wir dem, was uns Heinz von Förster empfiehlt: Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.

Warum erzähle ich das?

Eine Planung ist ein wichtiger Bestandteil der Erzählungen, die ein Unternehmen über sich selbst erstellt. Diese Erzählungen erlauben den Vergleich mit dem, was wir aktuell beobachten. So schaffen sie die Grundlagen für Irritationen, die unser Verhalten ändern. Bezogen auf zukünftige Gegenwarten schafft die Planung die Basis für das, was das Unternehmen in der Gegenwart entscheidet. Wir verstehen sie nur nicht als Prognose. Sie schafft stattdessen eine Vertrauensarena, in der wir immer auch riskant entscheiden.

Diese Form der Selbsterzählung ist eine typische Eigenschaft sozialer Systeme und die Grundlage für ihre Steuerung. Sie enthält eine Auswahl der Sachverhalte / Kommunikationen, für die sich das Unternehmen interessiert. Und sie enthält eine Auswahl der Verfahren, mit denen das Unternehmen Kommunikationen verarbeitet. Dadurch bildet sie die Grundlage für das, was das Unternehmen beobachtet und wie es die Ergebnisse bewertet. Geändertes Verhalten bezieht sich dann, etwas abstrakter formuliert, auf die Selektion von Kommunikationen und Verfahren.

Die Vertrauensarena funktioniert, wenn die Teilnehmer der Planung die Erzählung plausibel finden. Die Erzählung selbst ist eine Fiktion. Sie erhält ihren Wert dadurch, dass wir Schlussfolgerungen aus der Fiktion auf unser reales Handeln übertragen. Das bedeutet, dass wir den in der Erzählung verwendeten Gedankenmodellen folgen können müssen. Zukünftige Gegenwarten lassen sich nicht kausal aus einer gegenwärtigen Zukunft ableiten. Die Erzählung muss aber unseren kausalen Ansprüchen genügen.

Dadurch bekommen solche kausalen Modelle eine Bedeutung, wie wir sie mit mathematischen Mitteln aufstellen. Mathematische Genauigkeit ist dabei nur Mittel zum Zweck. Sie sichert die genaue Nachvollziehbarkeit, aber nicht die Genauigkeit der Ergebnisse. Denn die Ergebnisse der Planung hängen von so vielen Faktoren ab, die wir nicht verlässlich vorhersagen können. 

Das genaue Vorgehen der Mathematik erlaubt es, dass wir mit ihren Modellen nachvollziehbar schlussfolgern. Und was nachvollziehbar ist, erlaubt in der Regel, dass wir es automatisiert herstellen. Das Verfahren ist wiederholbar. Die strengen Regeln der Mathematik eröffnen zudem einen Blick auf Folgen und Nebenfolgen unseres Handelns, die sich sonst nicht erkennen ließen. Sie lassen uns schwierige Zusammenhänge erkennen. Mit den Modellen der Mathematik leuchten wir den Entscheidungsraum sehr viel heller aus, als das ohne sie der Fall wäre.

Fazit

Hier sind jetzt die beiden Gründe, warum mit Planungen so wichtig sind.

  1. Vielleicht klingt es paradox, aber ich schlage vor, mehr Mathematik einzusetzen, gerade weil sie eine Fiktion der Wirklichkeit ist. Wir werden uns damit noch genauer befassen müssen. Die Fiktion erlaubt es der Welt so klar zu erscheinen, wie wir sie normalerweise nicht beobachten. Sie wird so zum Spiegel, in dem wir als Gesellschaft und im Unternehmen unsere eigene Kontingenz reflektieren. Elena Esposito erklärt es in ihrem Buch „Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität“. Der Wert der Prognose liegt nicht darin, dass sie die Undurchschaubarkeit der Zukunft reduziert oder beseitigt. Er liegt darin, dass sie die Zukunft als Informationsquelle nutzbar macht. Dies ist der erste Grund, warum mir Prognosen wichtig sind.
  2. Der zweite Grund besteht darin, dass wir mit der Prognose ein Muster der Systembildung beobachten. Systembildung ist Reduktion und Positivismus, also Beseitigung von Undurchschaubarkeit. Als Kommunikation über Kommunikation ist sie die Basis für Informationsbildung. Wenn wir diesen Zusammenhang untersuchen, dann gelangen wir genau an den Punkt, in dem Controlling und Steuerung stattfinden. Das klingt jetzt komplizierter als es ist. Aber wir wollen die Rolle des Controllings bei der Steuerung von Unternehmen genau verstehen. So können wir dann sagen, wann es seine Rolle erfüllt und welche Anforderungen wir stellen. Die Idee der Vertrauensarena ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Es gibt noch einiges zu tun. Und in der Zwischenzeit gilt: Make your computers fly!

Vollständige Kontrolle ist eine Illusion

Vollständige Kontrolle ist eine Illusion

Ich fahre gerne Motorrad. Aus Erfahrung weiß ich, dass die vollständige Kontrolle aller Fahrbedingungen beim Motorrad – leider – nicht zu erreichen ist. Das hat das Motoradfahren mit der Steuerung von Unternehmungen gemeinsam.

Die vollständige Kontrolle der Fahrt ist beim Motorrad nicht möglich, weil man es mit verschiedenen Ungewissheiten zu tun hat. Als erstes ist es nicht möglich, festzustellen, was genau eine „richtige“ Steuerung des Motorrads wäre. Man kennt das aus der Diskussion um „richtige“ Kurvenlinien und manchmal auch von den Stammtischen, wie ein Motorrad überhaupt durch eine Kurve gelenkt wird. Dazu kommen unbekannte Umweltbedingungen, wie der Straßenbelag, mögliche Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer. Und obendrein bleibt das Motorrad nur stabil, solange man es fährt. Wenn man es nicht fährt, dann fällt es um.

Anders als bei der Unternehmenssteuerung gibt es beim Motorrad nur eine begrenzte Zahl von Steuerungsmöglichkeiten: Gas, Bremse, Kupplung und zwei Lenkerenden, die ich je nachdem, in welcher Richtung ich eine Kurve fahren will, auf der rechten oder linken Seite nach vorne drücke. Die Risiken sind klar zu benennen: dass die Fahrt ungewollt endet, z.B. weil das Motorrad dazu neigt, eine rutschige Stelle auf der Straße mit allen seinen Teilen genauer inspizieren zu wollen.

Steuerung während der Fahrt

Aufgrund der übersichtlichen Anzahl von Hebeln für die Steuerung lässt sich der Ablauf gut beschreiben. Bevor ich z.B. eine Kurve fahre, mache ich mir immer eine Vorstellung von dem Bewegungsauflauf, der dafür erforderlich ist. Das gilt auch, wenn mir das nicht so bewusst ist. Ich sehe mich, bevor ich die Kurve erreiche, quasi schon selbst, wie ich die Kurve fahre. Ich nenne das einen Bewegungsentwurf.

Während der Fahrt durch die Kurve vergleiche ich meine Beobachtungen mit dem Bewegungsentwurf, und reagiere, wenn es zu relevanten Abweichungen kommt. Entweder passe ich meine Steuerung so an, dass ich dem Bewegungsentwurf wieder näherkomme, oder, was seltener der Fall ist, weil meistens schnell gehandelt werden muss, ich verändere den Bewegungsentwurf noch einmal. Der zweite Fall tritt vor allem dann ein, wenn sich der ursprüngliche Bewegungsentwurf z.B. wegen eines Hindernisses nicht mehr ausführen lässt. Es hilft mir dann, wenn ich mich auf ein Reaktionsmuster für solche Fälle vorbereitet habe. Man kann solche Situationen vorher gedanklich durchgehen und in manchen Fällen auch konkret üben.

Wegen der nicht erreichbaren vollständigen Kontrolle über die Situation während der Fahrt, bleiben Risiken, die es klein zu halten, aber auch zu akzeptieren gilt. Um die Risiken zu begrenzen, setze ich z.B. intelligente Technik in Form eines kurvenabhängigen ABS ein, trage immer gute Schutzkleidung und bereite mich mental und durch Übungen auf unvorhergesehene Situationen vor.

Bewegungsentwurf in Form einer Erzählung

Zentral für die Steuerung ist der Bewegungsentwurf. Bei Unternehmungen in einem sozialen Umfeld, in dem genaue Vorhersagen praktisch unmöglich sind, entsteht der Bewegungsentwurf als gemeinschaftliche Erzählung mit einer plausibilisierten Quasigewissheit: Die Plausibilität erlaubt es, auf hinreichende Gründe für Entscheidungen zu vertrauen, während die Gemeinschaftlichkeit der Erzählung vor allem die Anschlussfähigkeit von Entscheidungen wahrscheinlicher macht. Prognose wird nun anders interpretiert: Nicht mehr als Vorhersage einer zukünftigen Gegenwart, sondern als Erzählung eines möglichen Entscheidungsraums, den man sich gemeinschaftlich festlegt. Die Erzählung generiert eine fiktive Gewissheit, die ausreicht, zu entscheiden (Birger P. Priddat, Erwartung, Prognose, Fiktion, Narration; Zur Epistemologie des Futurs in der Ökonomie, Metropolis-Verlag).

Elena Esposito hat genauer erläutert, wie das geschieht. Sie beschreibt, wie z.B. die Fiktionen eines Romans auf die Wirklichkeit zurückwirken. In der explizit fiktiven Realität des Romans kann sich ein Leser zurechtfinden, weil der Roman auf präzise, überprüfbare und nicht willkürliche Weise eine Welt beschreibt, die nicht existiert. Die Fiktion wirkt wie ein Spiegel, in dem die Gesellschaft ihre eigene Kontingenz reflektiert. Wahrscheinlichkeitstheoretische Modell funktionieren ebenso. Sie stellen eine irreale, aber realistische Realität dar, gerade weil sie diese vereinfachen und auf diese Weise eine regelmäßigere und besser geordnete Realität zur Verfügung stellen, die nicht „zirkulär“ und um die Wechselwirkungen zwischen Beobachtern und Zeithorizonten bereinigt ist (Elena Esposito, Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Suhrkamp).

Bewegungsentwürfe sind ein zentraler Bestandteil bei vielen Aktivitäten, die eine Steuerung verlangen. Bei der Steuerung von Unternehmen sind sie jedoch abstrakt und geprägt durch die kooperative Informationsverarbeitung in sozialen Systemen. Klassische Controlling Aufgaben und quantitative Methoden sind dabei ebenso wichtig, wie die richtige Erzählung.

Ich nehme die Fragen, wie in Unternehmen gesteuert wird und welche Anforderungen sich an die Gestaltung von Controlling Systemen ergeben, in weiteren Artikeln auf. Bisher erschienen sind:

Weitere Artikel werden folgen.