Narrative und Selbstbeschreibungen spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Unternehmen. Controlling Instrumente sind ein wichtiger Teil davon. Sie sind die Basis für die Selbstbeobachtung von sozialen Systemen, denn sie ermöglichen den Vergleich mit dem, was wir gerade beobachten. Sie schaffen so die Grundlage für Irritationen, die unser Verhalten verändern.
Die Selbstbeschreibung ist eine Kommunikation durch und über das Unternehmen. In ihr konkretisiert sich, was das Unternehmen in seiner funktionalen Rolle und in der Form seiner kulturellen Interpretation prägt. Dabei interpretiert Kommunikation, was das System ist oder sein könnte. Das System interpretiert, was Kommunikation meint oder meinen könnte. Nach Thomas A. Bauer ist Komplexität eine Eigenschaft dieser kommunikativ gefassten Beobachtung des Geschehens. Sie erweitert den Horizont möglicher Deutungen und Bedeutungen, weil sie nicht nur umfasst, was ist, sondern auch, was sein könnte.
Muster der Bearbeitung von Komplexität
In unserer Praxis verwenden wir bestimmte Muster, mit denen wir Komplexität handhaben. Auf Basis einer von uns unterstellten Ordnung selektieren wir Informationen und Verarbeitungsregeln. So schaffen wir ein Komplexitätsgefälle zwischen dem, was wir betrachten, und dem, was möglich ist.
Da wir uns auf eine unterstellte Ordnung beziehen, bleibt unsere Auswahl der von uns verarbeiteten Informationen und der Verarbeitungsregeln unsicher. Wir sind gut beraten, diese Auswahl zu reflektieren. Dabei können wir nur berücksichtigen, was wir als Beschreibung von uns selbst vorliegen haben, und wie sich unsere Beobachtungen in ein Bild einfügen, das durch unsere Selbstbeschreibung geprägt ist.
Wir erzählen uns also eine Geschichte von uns selbst und interpretieren unsere Beobachtungen in diesem Kontext. Dabei wählen wir aus, was wir für wichtig halten. Das bestimmt wiederum, wie wir uns, uns selbst, erzählen. Dieser Vorgang ist operational abgeschlossen, weil sich unsere Interpretation und unsere Selbsterzählung nur aufeinander beziehen können. Von außen werden sie höchstens irritiert. Der Vorgang ist selbstreflexiv, weil wir uns unserer Voreingenommenheit bewusst sind und unser eigenes Verhalten reflektieren. Die Biologie und die Soziologie nennen diesen Vorgang einer sich selbst fortschreibenden Erzählung Autopoiesis.
Die Rolle von Informationsartefakten
Seit der Erfindung der Schrift nehmen Informationsartefakte in den Verfahren der Selbsterzählung eine bedeutende Rolle ein. Sie übersetzen kommunikative Funktionen in eine konkrete, reproduzierbare Form. Und sie können Bestandteil oder Erzeuger anderer Informationsartefakte sein. Bruno Latour definiert einen Akteur in einem sozialen Netzwerk als jemand oder etwas, das von vielen anderen zum Handeln gebracht wird. Akteure können auch nicht-menschliche Dinge, wie z.B. Verkehrszeichen, sein. Sie bringen uns z.B. dazu, einem anderen Verkehrsteilnehmer an einer Kreuzung Vorfahrt zu gewähren. Informationsartefakte, als Texte, Statistiken oder Grafiken, bringen uns ebenfalls dazu, unser Verhalten zu verändern. Insbesondere haben sie die Fähigkeit, unsere Selbsterzählungen zu bestätigen, oder zu irritieren.
Im Controlling und bei der Planung setzen wir Informationsartefakte ein, die eine spezielle Wirkung erzielen sollen. Sie werden damit zu einem Akteur im Unternehmen, oder bei allem, was wir steuern wollen. Ihre Gestalt basiert auf einem Konzept, das die Vergegenständlichung von Rationalität ermöglicht und funktionale als auch kulturelle Bedeutung generiert. Sie wirken dabei aber nur vor dem Hintergrund des Umfeldes, in dem wir sie einsetzen. Controlling-Instrumente und Unternehmen bedingen sich gegenseitig. Controlling-Instrumente interpretieren, was das Unternehmen ist oder sein könnte. Das Unternehmen interpretiert, was Controlling meint oder meinen könnte.
Diese gegenseitige Bezogenheit ist Anlass genug, dass wir uns die Vorgänge von Autopoiesis und operationaler Abgeschlossenheit genauer ansehen. Mehr Informationen finden Sie in meinem Beitrag zur Operationalen Abgeschlossenheit.
Veröffentlichung auf LinkedIn
Der Text ist außerdem in englischer Sprache am 29. März 2024 auf LinkedIn erschienen.