Operationale Abgeschlossenheit

Die Bedeutung von Controlling-Instrumenten

Narrative und Selbstbeschreibungen spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Unternehmen. Controlling Instrumente sind ein wichtiger Teil davon. Sie sind die Basis für die Selbstbeobachtung von sozialen Systemen, denn sie ermöglichen den Vergleich mit dem, was wir gerade beobachten. Sie schaffen so die Grundlage für Irritationen, die unser Verhalten verändern.

Die Selbstbeschreibung ist eine Kommunikation durch und über das Unternehmen. In ihr konkretisiert sich, was das Unternehmen in seiner funktionalen Rolle und in der Form seiner kulturellen Interpretation prägt. Dabei interpretiert Kommunikation, was das System ist oder sein könnte. Das System interpretiert, was Kommunikation meint oder meinen könnte. Nach Thomas A. Bauer ist Komplexität eine Eigenschaft dieser kommunikativ gefassten Beobachtung des Geschehens. Sie erweitert den Horizont möglicher Deutungen und Bedeutungen, weil sie nicht nur umfasst, was ist, sondern auch, was sein könnte.

Muster der Bearbeitung von Komplexität

In unserer Praxis verwenden wir bestimmte Muster, mit denen wir Komplexität handhaben. Auf Basis einer von uns unterstellten Ordnung selektieren wir Informationen und Verarbeitungsregeln. So schaffen wir ein Komplexitätsgefälle zwischen dem, was wir betrachten, und dem, was möglich ist. 

Da wir uns auf eine unterstellte Ordnung beziehen, bleibt unsere Auswahl der von uns verarbeiteten Informationen und der Verarbeitungsregeln unsicher. Wir sind gut beraten, diese Auswahl zu reflektieren. Dabei können wir nur berücksichtigen, was wir als Beschreibung von uns selbst vorliegen haben, und wie sich unsere Beobachtungen in ein Bild einfügen, das durch unsere Selbstbeschreibung geprägt ist.

Wir erzählen uns also eine Geschichte von uns selbst und interpretieren unsere Beobachtungen in diesem Kontext. Dabei wählen wir aus, was wir für wichtig halten. Das bestimmt wiederum, wie wir uns, uns selbst, erzählen. Dieser Vorgang ist operational abgeschlossen, weil sich unsere Interpretation und unsere Selbsterzählung nur aufeinander beziehen können. Von außen werden sie höchstens irritiert. Der Vorgang ist selbstreflexiv, weil wir uns unserer Voreingenommenheit bewusst sind und unser eigenes Verhalten reflektieren. Die Biologie und die Soziologie nennen diesen Vorgang einer sich selbst fortschreibenden Erzählung Autopoiesis.

Die Rolle von Informationsartefakten

Seit der Erfindung der Schrift nehmen Informationsartefakte in den Verfahren der Selbsterzählung eine bedeutende Rolle ein. Sie übersetzen kommunikative Funktionen in eine konkrete, reproduzierbare Form. Und sie können Bestandteil oder Erzeuger anderer Informationsartefakte sein. Bruno Latour definiert einen Akteur in einem sozialen Netzwerk als jemand oder etwas, das von vielen anderen zum Handeln gebracht wird. Akteure können auch nicht-menschliche Dinge, wie z.B. Verkehrszeichen, sein. Sie bringen uns z.B. dazu, einem anderen Verkehrsteilnehmer an einer Kreuzung Vorfahrt zu gewähren. Informationsartefakte, als Texte, Statistiken oder Grafiken, bringen uns ebenfalls dazu, unser Verhalten zu verändern. Insbesondere haben sie die Fähigkeit, unsere Selbsterzählungen zu bestätigen, oder zu irritieren. 

Im Controlling und bei der Planung setzen wir Informationsartefakte ein, die eine spezielle Wirkung erzielen sollen. Sie werden damit zu einem Akteur im Unternehmen, oder bei allem, was wir steuern wollen. Ihre Gestalt basiert auf einem Konzept, das die Vergegenständlichung von Rationalität ermöglicht und funktionale als auch kulturelle Bedeutung generiert. Sie wirken dabei aber nur vor dem Hintergrund des Umfeldes, in dem wir sie einsetzen. Controlling-Instrumente und Unternehmen bedingen sich gegenseitig. Controlling-Instrumente interpretieren, was das Unternehmen ist oder sein könnte. Das Unternehmen interpretiert, was Controlling meint oder meinen könnte.

Diese gegenseitige Bezogenheit ist Anlass genug, dass wir uns die Vorgänge von Autopoiesis und operationaler Abgeschlossenheit genauer ansehen. Mehr Informationen finden Sie in meinem Beitrag zur Operationalen Abgeschlossenheit.

Veröffentlichung auf LinkedIn

Der Text ist außerdem in englischer Sprache am 29. März 2024 auf LinkedIn erschienen.

Anforderungen an Planungssysteme

Die richtigen Anforderungen an Planungssysteme

Wer kennt das nicht, Anforderungen an Planungssysteme sind nicht erfüllt? Sie sind so starr eingerichtet, dass sie sich kaum verändern können. Oder Projekte überschreiten Zeit und Budget, weil der Aufwand für die Implementierung unterschätzt wird. Sie verzichten dann wegen der knappen Mittel auf wichtige Funktionen. Oder die Implementierung wird so groß und kompliziert, dass es niemand unternimmt, das System an neue Bedingungen anzupassen.

Auf den ersten Blick sieht Planen so aus, als ginge es vor allem darum, Daten zu verarbeiten. Das ist auch ein Teil der Aufgabe, es ist aber nicht der wichtigste. Wenn wir einen Plan aufstellen, dann beschreibt er vor allem einen Entscheidungsraum. Ein Planungssystem ist deshalb eher ein Konfigurator für diesen imaginierten Raum. Wenn wir ihn konfigurieren, werden selbstverständlich Daten verarbeitet, der wesentliche Punkt aber ist, dass ein Konfigurator neue Daten erzeugt. Dafür brauchen Benutzer einen Freiraum, in dem sie ihre Konfiguration ausprobieren können.

Die Konzentration auf Prozesse macht Planungssysteme zu starr

Lösungsanbieter aus der IT konzentrieren sich oft auf die Prozesse, die notwendig sind, um Daten zu verarbeiten. Sie erstellen eine Architektur des Planungssystems, die diese Aufgabe in den Mittelpunkt der Anforderungen stellt. Das System, egal ob aus Standardsoftware konfiguriert oder individuell entwickelt, verarbeitet Daten dann sehr effizient. Leider verhindert die Architektur, dass das System auch andere Herausforderungen bewältigt. Soll die Planung den Fokus wechseln, oder den Gegenstand der Planung anders aufteilen, dann wird es schwierig oder teuer. Diese Änderungen sind aber meistens das Ergebnis, wenn die Beteiligten miteinander über ihre Planung verhandeln. Und Verhandlungen sind notwendig, wenn die Teilnehmer verschiedene Sichtweisen auf den Gegenstand der Planung mitbringen.

Andererseits machen es große Datenmengen heute auch notwendig, Planungen mit automatisierten Verfahren zu unterstützen. Sie sollen vorhandene Daten berücksichtigen. Und sie sollen schneller und genauer werden. Dies ist der prozessuale Teil der Planung. Die Herausforderung besteht also darin, Daten effizient zu verarbeiten, ohne die Reaktionsfähigkeit der Planung zu gefährden. Anforderungen sind gut formuliert, wenn sie alles Aspekte dieses Spannungsverhältnisses berücksichtigen.

Eine Planung besteht aus drei Teilen

Wir können die Formulierung von Anforderungen an Planungssystem verbessern, wenn wir die Aufgabe etwas genauer betrachten. Planen besteht dann aus drei Teilen.

Der erste Teil ist eine Selbstbeschreibung. Sie besteht aus den Geschichten, die sich das Unternehmen über sich selbst und sein Umfeld erzählt. Die Geschichten wiederum basieren darauf, was das Unternehmen in seiner Praxis erfährt. Und sie stützen sich auf die Daten, die es dazu in seiner Praxis sammelt.

Der zweite Teil besteht aus der eigentlichen Planung. In diesem Teil entwickeln die Planenden eine Vorstellung von einer Zukunft des Unternehmens, die sie für möglich halten. Dazu kombinieren sie ihr Wissen aus der Selbstbeschreibung des Unternehmens mit Entscheidungen, die sie zukünftig treffen können.

Aus der Kombination ergeben sich als dritter Teil Folgen, die sie mit dem Nutzen für das Unternehmen bewerten. Wir arbeiten bei einer Planung also mit einer Selbstbeschreibung und der Simulation von Entscheidungen und ihrer Folgen. Die Folgen von Entscheidungen werden dabei wieder ein Teil der Selbstbeschreibung und fließen so in die Konfiguration des Entscheidungsraums mit ein.

Die 3 Komponenten der Planung

Genau besehen, bestehen die Anforderungen an ein Planungssystem deshalb aus Anforderungen an drei Komponenten. 

  • Anforderungen, an eine Selbstbeschreibung, in der das Unternehmen entwickelt, wie es im Zusammenspiel mit seinen Partnern funktioniert. Dazu analysiert es Informationen, die ihm über sich selbst und über die Märkte, in denen es tätig ist, vorliegen. Diese Komponente ist eine klassische Aufgabe der Datenverarbeitung und Analyse.
  • Anforderungen an die eigentliche Planung, in der die Teilnehmer einen Entwurf der Zukunft des Unternehmens erstellen. Sie gehen dabei so vor, als würden sie einen Konfigurator verwenden. Sie probieren mögliche Entscheidungen und betrachten deren Folgen. Für diese Aufgabe benötigen die Teilnehmer der Planung einen Spielraum, in dem sie probieren können.
  • Anforderungen an die dritte Komponente, die darin besteht, die Folgen der Konfiguration zukünftiger Entscheidungen zu berechnen. Das baut wieder auf dem Selbstbild des Unternehmens auf, denn es bestimmt, mit welchen Folgen zu rechnen ist. Die Folgen zukünftiger Entscheidungen werden nach ihrem Nutzen bewertet. Das setzt voraus, dass Bewertungskriterien vorliegen, nicht aber, dass es nur genau eine Zielfunktion gibt. Zwischen Zielen, die miteinander konkurrieren, kann immer noch entschieden werden. 

Die Konfiguration des Entscheidungsraums ist die Kernfrage

Aus der Sicht der Informationsverarbeitung ist es der schwierigste Teil der Planung, den Entscheidungsraum zu konfigurieren. Das liegt daran, dass ein Planungssystem nicht vorhersehen kann, wie Planende vorgehen. Je mehr Freiraum das System den Nutzern lässt, desto unvorhersehbarer werden die Vorgänge, die das System bewältigen muss. Schwierig wird es, weil das System die Folgen von Entscheidungen berechnet. Das kann es nur dann bewältigen, wenn es wenigstens im Prinzip die Konstellationen kennt, die sich aus den geplanten Entscheidungen ergeben. 

Was genau bei einer Planung zu tun ist, können auch die Teilnehmer der Planung nicht vorhersagen. Planungen sind immer unsicher, weil sie sich auf die Zukunft beziehen. Die Unsicherheit aber sorgt bei den Teilnehmern dafür, dass sie Möglichkeiten und Szenarien unterschiedlich einschätzen.

So gibt es verschiedene Sichtweisen, die die Teilnehmer miteinander verhandeln. Dabei werden Sachverhalte betrachtet, auf die sich die Teilnehmer einigen. Und es gibt Sachverhalte, bei denen eine Einigung nicht möglich ist. Die Planenden werden in diesen Fällen anerkennen, dass ihre Einschätzungen voneinander abweichen, und den Unterschied akzeptieren. Die Planung erfordert es deshalb in vielen Fällen, den Gegenstand der Planung zu differenzieren, um den Verhandlungsprozess zu erleichtern.

Die Folgen zukünftiger Entscheidungen

Wir sollten auch noch betrachten, was wir planen, um die Folgen von Entscheidungen zu bewerten und den Verhandlungsprozess zu verstehen. Grundsätzlich planen wir Investitionsobjekte mit einem je eigenen Charakter. Die Objekte haben vielleicht einen eigenen Lebenszyklus, der geplant oder durch Zufall endet. Oder er startet nur unter bestimmten Bedingungen. Wir können solche Eigenschaften mit verschiedenen mathematischen Verfahren und stochastischen Theorien modellieren.

Die Bewertung der Planung ergibt sich in der Regel als Profitabilität aus der Summe von Kosten und Erlösen, die über die Lebenszeit entstehen. Aber auch andere Maße sind verbreitet und meist sinnvoll. Die Bewertungen können sie anwenden, auch wenn sie in Konkurrenz zur Profitabilität treten oder ihr widersprechen.  

Ähnliches gilt für den Einfluss der geplanten Investitionen auf die Rechenwerke des Unternehmens. Die geplanten Objekte hinterlassen dort eine Spur von Kosten, Erlösen und Cash-Flows. Wir fassen sie in den Rechenwerken zu Summen zusammen. Gibt es sehr viele Objekte, mit denen wir umgehen, dann kommen noch Portfolio-Effekte ins Spiel.

Wenn wir über Flexibilität bei der Planung sprechen, dann geht es darum, neue Klassen geplanter Objekte zu definieren. Solange sich das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht verändert, unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von den Objekten, die wir schon berücksichtigen. Sie variieren stattdessen Parameter, die ihren Lebenszyklus beschreiben und auf die zukünftigen, geplanten Entscheidungen zurückgehen.

Es lohnt sich, die Anforderungen an die Komponenten zu formulieren

Projektteams kümmern sich oft als erstes um die Prozesse, mit denen ein Planungssystem seine Daten verarbeitet. Diese Prozessfragen sind auch die einfachen Fragen, weil sie direkt sichtbar sind.

Die Methoden, mit denen die Teilnehmer einer Planung einen Entscheidungsraum verhandeln, sind dagegen viel schwieriger zu erkennen. Sie werden nur sichtbar, wenn wir wissen, was wir beobachten wollen. Ihre Spuren hinterlassen sie nur indirekt, weil Planungen vielfach nur das Ergebnis der Verhandlungen in den Vordergrund stellen. 

Wenn wir gut konfigurierte Planungssysteme haben wollen, dann müssen wir aber das ganze Spektrum der Anforderungen berücksichtigen.

Betrachten wir Planung als den Prozess, in dem Entscheidungsräume konfiguriert werden, dann sind Planungssysteme vor allem Konfiguratoren für mögliche, gegenwärtige Zukünfte. 

  • Als Konfiguratoren handhaben sie Klassen von Investitionsobjekten mit einer Lebenszeit und Eigenschaften, die ihren wirtschaftlichen Nutzen bestimmen. Sie erlauben es, die Eigenschaften der Objekte zu verändern. Sie erlauben es, neue, ähnliche Objekte zu erstellen und im System zu behandeln. 
  • Sie verarbeiten Daten, mit denen Planende ein Selbstbild des Unternehmens herstellen. Es besteht aus Geschichten, die sich das Unternehmen über sich selbst und sein Umfeld erzählt. Die Geschichten basieren auf Informationen, die das Unternehmen über sich und sein Umfeld besitzt, und durch Analysen verfügbar macht. Sie bestimmen die Vorstellungen über die zu planenden Objekte, ihre Eigenschaften und Parameter der Investition in die Objekte. Sie bestimmen außerdem, mit welchen Einflüssen aus seinem Umfeld das Unternehmen plant.
  • Planungssysteme verarbeiten schließlich Daten, um die im System konfigurierten Zukünfte darzustellen und zu bewerten. Das kann eine umfassende Aufgabe sein und hängt davon ab, wie differenziert der Entscheidungsraum ist. Wichtig ist, dass die Aufbereitung der Informationen ein plausibles und nachvollziehbares Bild erzeugt.
Modulare Planungssysteme

Ein Planungssystem, das aus diesen Komponenten besteht und sie technisch sauber voneinander trennt, kann auf neue Anforderungen reagieren. Geänderte Analysen, mit denen das Unternehmen sich selbst beobachtet, haben dann zunächst keinen Einfluss auf die anderen Komponenten. Die Ergebnisse der Analysen beeinflussen aber natürlich das Selbstbild und wirken so auf die Konfiguration und Bewertung des Entscheidungsraums. Eine geänderte Konfiguration möglicher, gegenwärtiger Zukünfte hat zunächst keinen Einfluss auf die Methoden, mit denen die Planung sie bewertet. Die Ergebnisse der Bewertung wirken aber auf die Konfiguration zurück. Im Idealfall verknüpfen nicht technische Abhängigkeiten die Komponenten miteinander, sondern nur noch inhaltliche.

Damit stellen wir das Planungssystem so auf, dass wir es an neue Anforderungen anpassen können. Und neue Anforderungen kommen sicher. Es bedeutet immer Aufwand, sie in ein Planungssystem aufzunehmen. Die Höhe des Aufwands ist mit einer modularen Struktur des Systems aber geringer, weil weniger technische Abhängigkeiten bestehen. So erleichtert es das System, Einverständnis und Anerkennung im Entscheidungsraum zu verhandeln. 

Fazit

Beginnen wir die Analyse der Anforderungen an ein Planungssystem mit der Frage nach der Konfiguration des Entscheidungsraums. Sie bestimmt nämlich, welche Informationen aus der Selbstbeschreibung des Unternehmens erforderlich sind. Diese bestimmen dann, welche Analysen bei der Vorbereitung der Entscheidungen in der Planung helfen. Und sie bestimmen, welche Auswirkungen geplanter Entscheidungen betrachtet und bewertet werden.

Alles, was wir hier jetzt getan haben, ist es, die Reihenfolge der Analyse zu verändern. Wir beginnen dabei mit der schwierigeren Frage danach, wer, was mit wem in einer Planung verhandelt. Erst danach fragen wir nach den Objekten und Prozessen, die in der Planung eine Rolle spielen. Diese zweite Gruppe von Fragen können wir dann nämlich beantworten. So stellen wir sicher, dass Planungssysteme das tun, was wir von ihnen erwarten.

Dieser Beitrag ist gleichzeitig in englischer Sprache bei LinkedIn erschienen.
2 Gründe warum Planungen als Vertrauensarena so wichtig sind

2 Gründe warum Planungen als Vertrauensarena so wichtig sind

Wir verstehen Planungen oft falsch. Man erwartet von ihnen, dass sie die Zukunft vorhersagen und so eine sichere Entscheidungsgrundlage bieten. Das trifft jedoch nicht zu. Sie sagen die Zukunft nicht vorher. Eine zukünftige Gegenwart wird niemals so sein, wie sie in einer Planung erscheint. Sie ist aber als Vertrauensarena wichtig. 

Gründe für die Unsicherheit von Planungen gibt es viele. Sie lassen sich in einem wirtschaftlichen Umfeld auf ein Muster zurückführen. Wer plant, unterliegt nämlich gerne der Illusion, er selbst könne sich frei entscheiden und damit zukünftige Ereignisse bestimmen. Man übersieht dabei, dass auch alle anderen Teilnehmer von Märkten entscheiden und sich dabei an ihren Erwartungen orientieren. So planen alle Marktteilnehmer mit ihren eigenen Erwartungen von den Erwartungen der anderen. Vorhersagen sind wegen dieser Selbstbezüglichkeit nicht möglich. In der Wirtschaft sind Vorhersagen grundlegend unsicher.

Wegen dieser elementaren Unsicherheit planen wir mit einer Fiktion. Sie umfassen die Vorstellung von kausalen Zusammenhängen, die von unserer gegenwärtigen Vorstellung der Zukunft zu einer zukünftigen Gegenwart führen. Die Illusion besteht, weil wir kausale Zusammenhänge unterstellen.

Wer die Planung als eine Fiktion erkennt, lehnt sie gerne ab, weil sie zukünftige Gegenwarten nicht vorhersagt. Das ist jedoch nicht richtig. Sie hat eine wichtige andere Funktion. Die eigentliche Fiktion, dass wir uns Kausalität vorstellen, kann auch motivieren und eine Quelle der Kreativität sein.

Entscheidungen brauchen eine Grundlage

Um wirtschaftlich zu handeln, treffen wir Entscheidungen, für die wir eine Grundlage brauchen. So rechtfertigen wir sie uns selbst und anderen gegenüber. Wenn wir über die Zukunft entscheiden, Prognosen aber unsicher bleiben, dann brauchen wir eine andere Grundlage. Diese finden wir in einer plausibilisierten Quasigewissheit, die wir durch hinreichende Gründe für eine zukünftige Gegenwart finden.

Es ist eine gewagte Vorstellung der Ökonomie, dass wir in einem klassischen Sinn rational entscheiden. Wenn wir entscheiden, reicht es tatsächlich aus, dass wir eine narrative Gewissheit haben. Diese erreichen wir durch eine plausible Erzählung, die eine Art Versicherung ist, richtig zu handeln. Dabei wissen wir nicht genau, ob und wie zukünftige Ereignisse eintreten. Die Versicherung gewährleistet, dass eine Handlung anschlussfähig ist. Sie garantiert jedoch nicht das beste Ergebnis zu prognostizieren.

Unter Unsicherheit müssen wir überdenken, was rationales Handeln bedeutet. Wir sollten so handeln, dass wir nicht enttäuscht werden. Auch sollten wir vermeiden, handlungsunfähig zu sein, falls die Dinge anders laufen als erwartet. Wenn wir Zukunft als Möglichkeitsraum verstehen, dann ist es für uns möglich, anders zu handeln. Wir benötigen dann für jede Form der Zukunft ein Handlungsprogramm, damit wir reaktions- und adaptationsfähig disponieren.

Planung als Vertrauensarena

Mit der Idee einer Vertrauensarena interpretieren wir die Vorhersage anders als in der klassischen Vorstellung. Sie besteht jetzt aus unserer Erzählung eines Entscheidungsraums für die Gestaltung zukünftiger Gegenwarten. In ihr trauen wir uns, zu entscheiden. Dabei müssen wir nicht sicher sein, dass das, was wir uns darin vorstellen, tatsächlich eintritt. Wir finden eine fiktive Gewissheit, die ausreicht, um zu entscheiden.

Der Gewinn besteht darin, ein gemeinsames mentales Modell zu haben, das Orientierung schafft. Mitglieder eines Teams orientieren sich an diesem Modell mehr oder weniger kohärent. Sie richten ihr Verhalten am Modell und aneinander aus. Dabei schaffen sie Möglichkeiten für neue Ideen und machen ihr Verhalten berechenbar.

Die Vertrauensarena sorgt so dafür, dass Mitglieder des Teams ihr Verhalten als Team genauer einschätzen. Das betrifft Kommunikationen auf der Hinterbühne, Trends und Verhaltensänderungen. Vorhersagen bleiben ungenau. Das Team passt sie aber auf Sicht mit weiteren Informationen an und präzisiert sie. Die Erzählung des Entscheidungsraums macht sichtbar, was anders verlaufen oder überraschen könnte. Sie eröffnet den Blick auf alternative und parallele Szenarien und erlaubt, zumindest auf der Hinterbühne, die Diskussion von Nichtwissen.

Gewinn an Möglichkeiten

Die Fähigkeit des Teams, ihr eigenes Verhalten besser einzuschätzen, erhöht die Bereitschaft, auf neue Situationen zu reagieren. Sie erlaubt es, Entscheidungen zu delegieren und sie dabei auch zu einem gewissen Grad abweichen zu lassen. Dies geschieht, ohne das Risiko zu erhöhen, dass sie nicht anschlussfähig sein werden. Jens Beckert („Imaginierte Zukunft: Fiktionale Erwartungen und die Dynamik des Kapitalismus“) geht davon aus, dass diese Art der Anschlusskultur wesentlich ist für die Dynamik des Kapitalismus.

Unerwartetes bleibt natürlich nicht aus. Es führt zu Vorhersagefehlern, die soziale Systeme erkennen und daraufhin ihr Verhalten anpassen. Der Prozess folgt der Idee, dass soziale Systeme fortlaufend ein mentales Modell erzeugen und aktualisieren. Die notwendige Fiktion des Modells ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Wir können nicht anders als uns vorzustellen, was geschehen wird, um es dann bestätigt zu finden oder zu korrigieren. Dabei erzählen wir uns immer die gleiche Geschichte von uns selbst und von dem, was uns umgibt. Wir revidieren sie, wenn uns unsere Beobachtungen überraschen oder irritieren.

Unsere Erzählung von uns selbst und vom Entscheidungsraum eröffnen uns dabei neue Möglichkeiten. Die Vertrauensarena ist eine öffnende Versicherung neuer Handlungsfelder. Durch das Verfahren des ’sich-versicherns‘ schaffen wir einen Zugewinn an Anschlussmöglichkeiten. Auf diese Weise folgen wir dem, was uns Heinz von Förster empfiehlt: Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.

Warum erzähle ich das?

Eine Planung ist ein wichtiger Bestandteil der Erzählungen, die ein Unternehmen über sich selbst erstellt. Diese Erzählungen erlauben den Vergleich mit dem, was wir aktuell beobachten. So schaffen sie die Grundlagen für Irritationen, die unser Verhalten ändern. Bezogen auf zukünftige Gegenwarten schafft die Planung die Basis für das, was das Unternehmen in der Gegenwart entscheidet. Wir verstehen sie nur nicht als Prognose. Sie schafft stattdessen eine Vertrauensarena, in der wir immer auch riskant entscheiden.

Diese Form der Selbsterzählung ist eine typische Eigenschaft sozialer Systeme und die Grundlage für ihre Steuerung. Sie enthält eine Auswahl der Sachverhalte / Kommunikationen, für die sich das Unternehmen interessiert. Und sie enthält eine Auswahl der Verfahren, mit denen das Unternehmen Kommunikationen verarbeitet. Dadurch bildet sie die Grundlage für das, was das Unternehmen beobachtet und wie es die Ergebnisse bewertet. Geändertes Verhalten bezieht sich dann, etwas abstrakter formuliert, auf die Selektion von Kommunikationen und Verfahren.

Die Vertrauensarena funktioniert, wenn die Teilnehmer der Planung die Erzählung plausibel finden. Die Erzählung selbst ist eine Fiktion. Sie erhält ihren Wert dadurch, dass wir Schlussfolgerungen aus der Fiktion auf unser reales Handeln übertragen. Das bedeutet, dass wir den in der Erzählung verwendeten Gedankenmodellen folgen können müssen. Zukünftige Gegenwarten lassen sich nicht kausal aus einer gegenwärtigen Zukunft ableiten. Die Erzählung muss aber unseren kausalen Ansprüchen genügen.

Dadurch bekommen solche kausalen Modelle eine Bedeutung, wie wir sie mit mathematischen Mitteln aufstellen. Mathematische Genauigkeit ist dabei nur Mittel zum Zweck. Sie sichert die genaue Nachvollziehbarkeit, aber nicht die Genauigkeit der Ergebnisse. Denn die Ergebnisse der Planung hängen von so vielen Faktoren ab, die wir nicht verlässlich vorhersagen können. 

Das genaue Vorgehen der Mathematik erlaubt es, dass wir mit ihren Modellen nachvollziehbar schlussfolgern. Und was nachvollziehbar ist, erlaubt in der Regel, dass wir es automatisiert herstellen. Das Verfahren ist wiederholbar. Die strengen Regeln der Mathematik eröffnen zudem einen Blick auf Folgen und Nebenfolgen unseres Handelns, die sich sonst nicht erkennen ließen. Sie lassen uns schwierige Zusammenhänge erkennen. Mit den Modellen der Mathematik leuchten wir den Entscheidungsraum sehr viel heller aus, als das ohne sie der Fall wäre.

Fazit

Hier sind jetzt die beiden Gründe, warum mit Planungen so wichtig sind.

  1. Vielleicht klingt es paradox, aber ich schlage vor, mehr Mathematik einzusetzen, gerade weil sie eine Fiktion der Wirklichkeit ist. Wir werden uns damit noch genauer befassen müssen. Die Fiktion erlaubt es der Welt so klar zu erscheinen, wie wir sie normalerweise nicht beobachten. Sie wird so zum Spiegel, in dem wir als Gesellschaft und im Unternehmen unsere eigene Kontingenz reflektieren. Elena Esposito erklärt es in ihrem Buch „Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität“. Der Wert der Prognose liegt nicht darin, dass sie die Undurchschaubarkeit der Zukunft reduziert oder beseitigt. Er liegt darin, dass sie die Zukunft als Informationsquelle nutzbar macht. Dies ist der erste Grund, warum mir Prognosen wichtig sind.
  2. Der zweite Grund besteht darin, dass wir mit der Prognose ein Muster der Systembildung beobachten. Systembildung ist Reduktion und Positivismus, also Beseitigung von Undurchschaubarkeit. Als Kommunikation über Kommunikation ist sie die Basis für Informationsbildung. Wenn wir diesen Zusammenhang untersuchen, dann gelangen wir genau an den Punkt, in dem Controlling und Steuerung stattfinden. Das klingt jetzt komplizierter als es ist. Aber wir wollen die Rolle des Controllings bei der Steuerung von Unternehmen genau verstehen. So können wir dann sagen, wann es seine Rolle erfüllt und welche Anforderungen wir stellen. Die Idee der Vertrauensarena ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Es gibt noch einiges zu tun. Und in der Zwischenzeit gilt: Make your computers fly!

Data Mesh und Data as a Product sind großartige Konzepte in der IT - die Verknüpfung zum Business ist eine Anwendung der Systemtheorie

Data as a Product als Anwendung der Systemtheorie

Die neueste Entwicklung im Datenmanagement der IT befasst sich mit dem Data Mesh und mit Data as a Product. Die Strategie verspricht Anpassungsfähigkeit, Skalierbarkeit, Schnelligkeit und Agilität. Das ist genau das, was Self-Services in Datenanwendungen benötigen. Und es verspricht den Anwendern die Autonomie und Flexibilität, die nur mit einer dezentralen Lösung möglich sind. Im Controlling und bei der Steuerung von Unternehmen sind dies wichtige Anforderungen. Grund genug, dass wir uns das näher ansehen.

Data Mesh und Data as a Product

Mit der Idee von Data Mesh und Data as a Product liegt eine ernsthafte Strategie für eine dezentrale Verwaltung von Daten und das Design von Anwendungen vor. Das Data Mesh gibt einer Bewegung einen Namen, die es dem Self-Service Ansatz erlaubt Daten effektiver zu nutzen. Data Mesh beinhaltet die Idee der organisatorischen Dezentralisierung, die durch die Idee des Domänen-spezifischen Eigentums an Daten und Datenprodukten, der Self-Service-Datenplattform und der computergestützten Governance unterstrichen wird.

Data as a Product ist dabei ein Schlüsselkonzept, weil der Idee ein organisatorisches Paradigma zugrunde liegt.

  • Ein Datenprodukt ist ein spezifisches Datenobjekt, das für verschiedene Zwecke verwendet werden kann. Es ist so gestaltet, dass es verlässliche Informationen für seine Nutzer gewährleistet, die dabei als Kunden betrachtet werden. Die Idee verstärkt so die Vorstellung von Produkten, die immer einen klaren kundenorientierten Zweck haben.
  • Und Datenprodukte unterscheiden sich auch von Datenprojekten, weil Projekte immer ein geplantes Ende haben. Mit dem Datenprodukte wird ein Umfeld geschaffen, in dem sich die Dinge ändern und weiterentwickeln können. Eigenschaften eines Produktes wie Verantwortlichkeit, Modularität, Marketing usw. sind entscheidend und vorteilhaft, wenn es darum geht das Datenprodukt an Veränderungen anzupassen, ohne an Qualität zu verlieren.

Als Konzept für das Management von Daten in der IT ist dies ein großartiger Ansatz, der sicherlich in der Lage ist Flexibilität und Qualität miteinander in Einklang zu bringen.

Für den erfolgreichen Einsatz im Geschäft fehlt ein Stück

Wenn wir das Konzept des Data Mesh und von Data as a Product nutzen wollen, dann müssen wir uns aber auch darum kümmern, welche Datenprodukte wir identifizieren können und verwenden wollen. Die Datenverarbeitung ist in einem Unternehmen nämlich genau deshalb wirksam, weil IT-Services Geschäftsfunktionen repräsentieren können und sich dann aus den in der IT verwendeten Modellen Impulse für konkretes Handeln ableiten lassen. Wir müssen also wissen, was repräsentiert werden soll.

Bei dieser Aufgabe hilft uns die Idee der Modularisierung von geschäftlichen Leistungen. Aus der Theorie der sozialen Systeme wissen wir, dass komplizierte Aufgaben in Module zerlegt werden können. Sie spezialisieren sich dabei auf Teile der Aufgabe und folgen den Verhaltensregeln von sozialen Systemen. Die Module handeln als Agenten eigenständig, steuern sich bei der Erstellung ihrer Leistung selbst und lösen komplizierte Aufgaben durch kooperative Informationsverarbeitung. Jedes Modul erfüllt hierbei einen Zweck, der sich aus den Anforderungen ihres Umfeldes, wenn wir so wollen, aus den Bedürfnissen ihrer Kunden, ergibt. Dieser Zweck gibt den Selektionen des Systems ihre Bedeutung.

Wir erkennen sofort die Ähnlichkeit der Struktur. Während Data as a Product sich aber auf Datenprodukte beschränkt, arbeiten die Geschäftsprozesse mit Kommunikationen, die unterschiedliche Gestalten annehmen können. Es gibt Wertschöpfungsprozesse, die aus der Verarbeitung von Informationen bestehen und Daten herstellen. Es gibt aber auch Wertschöpfungsprozesse, die Waren und Dienstleistungen herstellen.

In allen diesen Fällen können wir Aktionen der Prozesse mit Daten beschreiben, indem wir zählen, messen und wiegen, und Bestände oder Veränderungen in den Blick nehmen. Wir erstellen damit eine Kommunikation über die Kommunikationen des betrachteten Systems. Das IT-Konzept des Data as a Produkt wird zum Repräsentanten einer sehr ähnlichen Struktur. Dazu müssen wir Wertschöpfung als Netzwerk kooperierender Agenten verstehen.

Genau auf diesem Weg finden wir diejenigen Datenprodukte, die wir in einem Data Mesh definieren wollen. Sie repräsentieren dann den Geschäftsablauf und können Impulse für Handlungen auslösen. Und diese Herangehensweise funktioniert gut. Wir haben das in einigen Projekten schon mit Erfolg angewendet.

Beispiel: Zinskurve

In einem großen Treasury-Projekt z.B. haben wir das Objekt der Zinskurve als Data as a Product eingeführt. Normalerweise erwartet man unter dem Begriff “Zinskurve” eine Datenstruktur mit Zeitangaben, Stützpfeilern der Zinskurve und den dazugehörigen Zinssätzen.

In unserer Definition als Produkt haben wir dieses Objekt jedoch zusätzlich mit verschiedenen Methoden ausgestattet. Diese Methoden können beispielsweise mithilfe von Interpolationsverfahren Zinssätze zwischen den Stützpfeilern liefern und die Interpolationsmethode anpassen. Hinter dem Objekt verbirgt sich außerdem eine ganze Welt von Update-, Wartungs-, Pflege- und Entwicklungs-Services. Diese sind zwar für den Nutzer der Zinskurve nicht unbedingt interessant, tragen aber maßgeblich zur Qualität des gesamten Systems bei und ermöglichen klare Verantwortlichkeiten.

Das fachliche Design und die Dokumentation von Systemanforderungen werden dadurch erheblich vereinfacht. Die Zinskurve ist an ihrer Oberfläche lediglich ein Datenobjekt, das beispielsweise in Berechnungen Werte liefert, ohne dass wir uns um die Details kümmern müssen. Dennoch stehen uns alle Möglichkeiten offen, die Vorgänge unter der Oberfläche beliebig komplex zu gestalten.

Diese Auffassung der Leistungserstellung in einem Netzwerk von Zulieferungen korrespondiert stark mit der Vorstellung der objektorientierten Programmierung. In dieser Vorstellung wird eine Programmausführung ebenfalls als ein System kooperativer Objekte betrachtet. Der Unterschied in der Modellierung von Wertschöpfungsprozessen besteht darin, dass die Module in der Lage sind, sich selbständig an die Anforderungen ihrer Umgebung anzupassen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Modul um ein System handelt, dem wir sein Handeln direkt über menschlichen Einfluss zuschreiben, oder ob es ein Artefakt ist, das sich seine Sprecher sucht und auf diese Weise handelt.

Eine Zinskurve z.B. handelt nicht von sich aus. In unserem Treasury-Projekt hatte die Zinskurve eine ganze Reihe von Experten als Sprecher gefunden. Diese kümmerten sich mit viel Aufwand um die Optimierung ihrer Methoden.

Fazit

Das Konzept des Data as a Product in der IT wird wirksam, wenn es in der Lage ist, Abläufe in den Wertschöpfungstätigkeiten eines Unternehmens sinnvoll zu repräsentieren. Nur dann können aus den Modellen der IT Impulse für Handlungen abgeleitet werden, die die Erwartungen an die Repräsentationsfähigkeit der Datenobjekte erfüllen.

Der vielversprechende Ansatz von Data Mesh und Data as a Product ist also erst dann vollständig, wenn er mit einer kompatiblen Modellierung von Geschäftsprozessen verbunden wird. Beim Design von Software-Systemen ist dieser Schritt dabei der erste.

Die Modellierung von Geschäftsprozessen passt aus meiner Sicht sehr gut zu den Vorstellungen von Data Mesh und Data as a Product. Wir müssen sie hierzu als Modularisierung und Systembildung verstehen. Wenn die Repräsentation zu dem passt, was sie repräsentiert, und gleichzeitig auf die Unabhängigkeit der Module und ihrer Repräsentation als Datenprodukte achtet, dann erreichen wir sicherlich die Flexibilität, die wir zum Handeln unter Unsicherheit brauchen. Das gilt vor allem auch für Anwendungen im Controlling und bei der Steuerung von Unternehmen.

Lassen Sie uns daran arbeiten, und: Make your computers fly!

Widerstand in Zusammenarbeit verwandeln

Widerstand in Zusammenarbeit verwandeln

Unternehmensbereiche wehren sich oft, Transparenz durch die Analyse ihrer Wertschöpfung zu schaffen. Als ehemaliger CFO eines Unternehmens, das mit Halbfertigwaren aus Metallen handelt, kenne ich das Problem.

Die Leistungen, die ein Unternehmen mit dem länderübergreifenden Handel von Metallprodukten erbringt, sind umfangreich: Produkt Know-How: woher beschaffe ich welche Qualität? Prozess Know-How: richtige Ladungssicherung für den Transport, Auswahl von Reeder, Spediteur, Abwicklung der Frachtpapiere. Finanzierung während der Transportzeit, Zahlungsziele zur Finanzierung während der Verarbeitungszeit, Absicherung von Währungsrisiken, Metallpreisrisiken, Lieferantenrisiken. Häufig Übernahme von Kreditrisiken und nicht zu vergessen: in den Produkten können sich eingebettete Optionen befinden.

Bei der Zerlegung der Leistung in Module wird für all diese Bestandteile dargestellt, wie die jeweilige Leistung erbracht wird. Die Absicherung des Lieferantenrisikos erfolgt bei länderübergreifendem Handel z.B. meist über Importakkreditive, die man bei seiner Bank beschafft.  Die Zerlegung muss sich nicht auf die formale Organisation des Handelsbereichs beziehen. Es genügt, wenn der Beitrag als eigenständig behandelt wird und so Bedeutung bekommt. Die Gesamtleistung des Handels entsteht als eine netzwerkartige Verknüpfung der einzelnen Beiträge.

Chancen zur Verbesserung gehen verloren, wenn sich die Experten gegen Transparenz wehren.

Die Experten von Produktionsbereichen wehren sich oft gegen die genauere Analyse ihrer Leistungen. So auch im Fall meines Beispiels. Sie wollen sich nicht in die Karten schauen lassen, geben keine Auskunft, was sie tun und warum, und erschweren die Bereitstellung von Daten. Damit verhindern sie, dass ihre Leistung transparenter und widerstandsfähiger wird. Wenn man nämlich das Produkt als eine Kombination von Beiträgen betrachtet, dann lässt es sich (1) anders rekombinieren und damit differenziertere Kundenbedürfnisse erfüllen, und (2) im Fall einer Krise, wenn z.B. die Erstellung eines Beitrags nicht mehr auf die bisherige Art möglich ist, bei entsprechender Vorsorge schnell auch anders herstellen. Ohne Transparenz und die Vorstellung unabhängiger Beiträge können Veränderungen weniger gut behandelt werden.

Woher kommt die Zurückhaltung der Experten?

Der Handelsbereich ist als ein soziales System zu verstehen, das seine Leistung als eine Systemleistung hervorbringt. Systeme müssen sich auf eine Auswahl von Informationen fokussieren, um erfolgreich zu arbeiten. So reduzieren sie die Komplexität in ihrem Inneren und erzeugen einen verlässlichen Output.

Differenzierungen der Leistungsbestandteile irritieren eventuell den Handlungsablauf, wenn Bestandteile hervorgehoben werden, die der Bereich vielleicht nicht gerne sieht, z.B. die Übernahme von Kreditrisiken bei Lieferung mit Zahlungsziel. Transparenz über die Leistungserstellung herzustellen, erhöht außerdem die Gefahr, dass es durch Nachfragen und Einmischungen zu weiteren Irritationen kommt. Systeme wehren sich deshalb gegen die Irritation, die eine Analyse der Wertschöpfungsbeiträge auslöst. Natürlich geht es meist auch um Einfluss, aber es wäre naiv zu glauben, das ginge ohne Performance.

Wie kann man das Problem auflösen?

Zunächst sollte man die Autonomie des Handelsbereichs beachten. Veränderungen finden im Inneren eines Systems statt und wir wissen, dass sie nur dann stattfinden, wenn sich das System selbst irritiert und dann auf diese Irritation reagiert. Gleichzeitig müssen wir als Controller klarstellen, dass das System, also der Handelsbereich, von externen Ressourcen abhängig ist. In der Regel besteht eine Abhängigkeit von dem Kapital, das zur Finanzierung des Betriebs notwendig ist. Intransparenz erhöht nur die Kosten des Kapitals für einen Investor. Und höhere Kosten für das erforderliche Kapital verschlechtern die Erfolgsaussichten des Handels. Der Handel kann also nicht völlig unabhängig agieren.

Die Lösung besteht darin, einen gemeinsamen Ansatz zu finden. Transparenz über die Module und ihre Beiträge, können auch vom Handelsbereich selbst genutzt werden, um sich zu verbessern. So findet eine Delegation von Steuerung in den Bereich statt. Im Finanzcontrolling können wir uns auf die Aspekte konzentrieren, die für das Unternehmen als Ganzes wichtig sind: Darstellung von Rentabilität und Risiken für Shareholder und Investoren. Dazu ist Einblick in die Abläufe des Handelsbereich notwendig. In Summe behandeln wir den Handels- und den Finanzbereich ebenfalls als Module, die zusammenarbeiten und dabei miteinander kommunizieren.

In dem kleinen Unternehmen, das ich hier als Beispiel im Sinn haben, wurden die Maßnahmen zur Absicherung von Zins-, Währungs- und Metallpreisrisiken im Finanzbereich verantwortet. Wir hatten einen guten Überblick über unsere Wertschöpfung und welche Beiträge dazu notwendig waren. So konnten wir auch Krisen, wie z.B. die Insolvenz unserer Hausbank, bei der Kreditlinien, Währungs- und Import-Absicherungen gefährdet waren, ohne Schäden überstehen.

Ich wünsche auch Ihnen immer viel Erfolg.

Vorhersagefehler sind unvermeidlich – wie geht man damit um?

Vorhersagefehler sind unvermeidlich – wie geht man damit um?

Vorhersagefehler sind unvermeidlich. Das stellt das Peterson Institute for International Economics (PIIE) zur Geldpolitik fest (siehe Artikel). Gleichzeitig gibt es eine gute Nachricht. Genaue Prognosen sind keine Voraussetzung für eine gute Geldpolitik.

Für die Steuerung von Unternehmen gilt das gleiche. Natürlich ist es besser, eine gute Prognose zu haben als eine ungenaue, aber Steuerung funktioniert auch, wenn Vorhersagen schwierig und damit ungenau werden. Das PIIE schreibt, dass die wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung die Vorbereitung der Entscheidungsträger auf Überraschungen im wirtschaftlichen Umfeld und die passende Reaktion darauf ist. Entscheidungsträger müssten ihren Kurs vernünftig, systematisch und energisch an die neuen Umstände anpassen können.

Wie kann man das machen?

So wichtig wie die Vorhersage von Entwicklungen ist die Einschätzung der gegenwärtigen Umstände. Es ist also ratsam, neben der Fähigkeit zur Vorhersage auch die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung zu stärken (PIIE).

Entscheider sollten die Aussagekraft von Vorhersagen nicht überschätzen. Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen sollen Unsicherheiten bleiben. Das bedeutet, dass bestimmte Vorhersagen auch unterbleiben können, oder deutlich relativiert werden sollten (PIIE).

Als Aufgabe bleibt die Vorbereitung auf Überraschungen, um bei Bedarf konsequent reagieren zu können. Unternehmen brauchen dafür Controlling- und Steuerungs-Systeme, die genau das leisten:

  1. IT-Systeme müssen Bewegungsentwürfe von Unternehmen transparent, mit der nötigen Detaillierung beschreiben und jederzeit selbst mit Änderungen rechnen.
  2. Bewegungsentwürfe und ihre Beschreibungen bauen am besten auf unabhängigen Modulen auf, um bei Bedarf Änderungen zu ermöglichen.
  3. Organisationen sollten Muster zu Bewältigung von Komplexität einüben, damit sie bei Bedarf anwendbar sind. Diese Verfahren sind selbst riskant, weil sie sich daran orientieren, was die Organisation als relevant erwartet.

Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass das klappt, dann müssen Sie Ihre Systeme an Ihre individuellen Bedürfnisse anpassen. Schauen Sie sich dazu an, was Sie steuern und wie Sie steuern wollen. Die gute Nachricht wird auch für Sie gelten: Genaue Prognosen sind keine Voraussetzung für gutes Management.


Dieser Post ist zuerst auf LinkedIn in englischer Sprache erschienen:
Mein Beitrag vom 2. Februar 2024

Design-Kriterien für Controlling Systeme

Design-Kriterien für Controlling Systeme

Beim Motoradfahren ist es nicht möglich, alle Fahrbedingungen vollständig unter Kontrolle zu haben, weil die Umweltbedingungen zu ungewiss sind. Trotzdem kommt man damit klar. Ich greife die Vorstellung der Bewegungsentwürfe noch einmal auf, um Design-Kriterien für Controlling Systeme abzuleiten. Ich beziehe sie jetzt aber auf die kompliziertere Situation bei der Steuerung von Unternehmen.

Die Automatisierung von Controlling-Prozessen ist keine leichte Aufgabe. Das liegt unter anderem daran, dass das Controlling im Rahmen der Steuerung eine Dienstleistungsfunktion hat. Controlling ist Lieferant von spezifischen Selbstbeschreibungen und Selbstbeobachtungen des Unternehmens und leistet damit einen Beitrag zur Kommunikation im Unternehmen. Dieser Beitrag hat zumeist einen Schwerpunkt auf einer modellgestützten, vernunftorientierten Sicht auf das Unternehmen. Er trägt damit zu einer möglichst rationalen, zielorientierten Selbstbeschreibung bei.

Steuerung erfolgt aber auch auf Basis nicht rationalisierbarer oder nicht in Controlling Systemen abbildbarer Vorstellungen und findet in einem Umfeld von mehr oder weniger großer Unsicherheit statt. Das führt dazu, dass sich die spezifischen Beiträge des Controllings an den Diskurs im Unternehmen und an sich verändernde Umstände anpassen müssen, um relevant zu bleiben.

Es macht also Sinn, sich Gedanken über die Gestaltung von Controlling Systemen zu machen. Um Anforderungen abzuleiten, setzt ich noch einmal bei den Bewegungsentwürfen an. Diese habe ich bereits in meinem Artikel „Vollständige Kontrolle ist eine Illusion“ mit dem Bezug zum Motoradfahren beschrieben.

Bewegungsentwürfe sind riskant

Die Steuerung von Unternehmen setzt auf einem Bewegungsentwurf auf, der meist explizit in Form einer Planung erstellt wird. Er kann aber auch implizit in der Vorstellung einer Gruppe von Entscheidern vorhanden sein und auf diese Weise Handlungen leiten. Unter Unsicherheit wird die Erzählung des Bewegungsentwurfs zur fiktiven Beschreibung einer wahrscheinlichen Realität, auf die sich alle Beteiligten einigen können. So entsteht eine Basis, die nicht Zukunft voraussagt, sondern Anschlussfähigkeit von Entscheidungen.

Jede Form der Erzählung setzt bereits eine Reduktion dessen, was erzählt, wird voraus. Die Darstellung durch mathematische Modelle und die Codierung von Kennzahlen reduziert Sachverhalte noch einmal zusätzlich. Dadurch gewinnen sie an Nachvollziehbarkeit und formelhafter Reproduzierbarkeit. Die Beschreibung wird transparent und automatisierbar. Die modellhafte Beschreibung von Bewegungsentwürfen transportiert damit eine Sicht, die auf Rationalität und eine aus Vernunft ableitbare Ordnung setzt. Wir verlassen uns auf diese Darstellung.

Diese Vorstellung lässt uns aber auch gerne vergessen, dass die Umstände nicht so sind, weil sie so sind, sondern weil wir sie so wahrnehmen beziehungsweise so beschreiben. Die Herausforderungen habe ich in zwei früheren Artikeln dargestellt. Links finden Sie etwas weiter unten.

Die Folgen der Reduktion von Codierung müssen beheben

Die Codierung von Bewegungsentwürfen mit Kennzahlen verkürzt ihre potenzielle Beschreibung. Das macht sie nachvollziehbar, regelbasiert geordnet und erlaubt eine automatisierte Herstellung der Codierung. Die Verkürzung der Beschreibung erhöht auf der anderen Seite die semantische Komplexität. Sie besteht darin, dass der Empfänger der Beschreibung auf Lücken und Auslassungen trifft, die er mit seinem Vorwissen auf eine riskante Weise schließen muss. Eine Verbesserung der Situation tritt ein, wenn sich eine Vertrautheit mit den Verkürzungen der Beschreibung einstellt. Diese kann sich auf positive Erfahrungen oder zusätzliche Informationen stützen. Dieser Umstand wirkt auf die Annahmen und Verfahren der Beschreibung zurück und bewirkt Veränderungen, die sich positive auf die Aufnahme auswirken. („Automatisierung im Spannungsfeld von Reduktion und Emergenz“)

Entscheidungsräume verhandeln

In einem Umfeld, in dem fundamentale Unsicherheit über die Wirksamkeit von Entscheidungen auf zukünftige Gegenwarten besteht, lässt sich keine Vernunft begründen, die einen Standpunkt in allen Aspekten über andere Standpunkte heraushebt. Abweichende Einschätzungen werden zumindest in Teilbereichen bestehen und für die Erzählung eines gemeinsamen Entscheidungsraumes akzeptiert werden müssen. Das erscheint mühsam, kann aber auch nützlich sein. Dann nämlich wenn in Punkten, in denen keine Einigkeit besteht, Vorsicht zur Vermeidung von Risiken führt.

Auf jeden Fall wird es neben Bereichen, in denen die Erstellung von Beschreibungen einvernehmlich automatisiert werden kann, auch Bereiche geben, in denen sich Bewertungen gegenüberstehen und einer fortgesetzten Diskussion unterliegen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Teilbereiche, in denen diskutiert wird, fortlaufend verändern, weil sich auch die Verhältnisse im Zeitablauf verändern. Und auch sicher geglaubte Bewertungen müssen neu befragt werden. („Vernunftordnung und Differenzenlogik – die Verhandlung von Entscheidungsgrundlagen“)

Was ist zu tun?

Die von Controlling-Systemen bereitgestellten Informationen sind im Kontext der insgesamt im Unternehmen stattfindenden Kommunikation zu sehen. Kommunikationen des Controllings stehen in Konkurrenz und manchmal im Widerspruch zu anderen Beiträgen, mit denen der Entscheidungsraum beschrieben wird. Er dient als Grundlage von Entscheidungen unter Unsicherheit. Um eine wirksame Vertrauensarena zu schaffen, muss die Erzählung des Entscheidungsraums Zustimmung finden. Hierin besteht das Ziel von Entscheidungsgrundlagen.

Wenn Bewegungsentwürfe riskant sind, dann ist es schwierig ihre Beschreibung z.B. in Kennzahlensystemen zu codieren und Zustimmung zu organisieren. In den beiden Artikeln habe ich aufgezählt, was zu tun ist, um Risiken bei der Beschreibung von Entscheidungsräumen zu vermindern. Risikominderung erfordert in der Regel die Erhebung neuer oder detaillierterer Informationen und bei Bedarf Anpassungen von Verfahren. Wo diese Anforderungen auftreten werden, ist nicht vorhersagbar.

Anforderungen

Mit dem Blick auf die Zielsetzung von Steuerungssystemen, eine gemeinschaftliche Erzählung eines möglichen Entscheidungsraums herzustellen, lassen sich die folgenden Anforderungen an Informationssysteme zusammenfassen:

  1. Alle Teile der Beschreibung des Bewegungsentwurfs brauchen eine transparente Struktur, in der Geltungsansprüche, auf die man sich einigt, mit der nötigen Detaillierung dargestellt werden.
  2. In anderen Teilen der Beschreibung können konkurrierende Versionen entstehen, die mehr oder weniger veränderlich, vielleicht auch automatisiert erstellt werden, und bei widersprüchlichen Signalen weiteren Informationsbedarf ankündigen.
  3. In allen Teilen der Beschreibung muss mit Änderungen gerechnet werden. Das macht es wünschenswert, dass sich Veränderungen an Teilaspekten möglichst wenig auf andere Teile der Beschreibung auswirken.

Diese Art der oben aufgezählten Anforderungen lässt sich am besten mit einer durchdachten Modularisierung erreichen. Die Modulbildung muss sich dabei zunächst auf den Bewegungsentwurf beziehen, der sich als Netzwerk von Teilbewegungen verstehen lassen kann. In einem weiteren Schritt sollte auch auf die Beschreibung des Bewegungsentwurfes aus Modulen bestehen, die sich als Netzwerk von Teilbeschreibung auffassen lassen.

Die Module sollten in beiden Bereichen voneinander unabhängig sein, damit Controller sie ohne Nebeneffekte verändern können. In einer solchen Struktur können sie schnell und sicher auf neue Anforderungen reagieren.

Transparenz, also eine vollständige und nachvollziehbare Erklärung, was beschrieben wird und wie Bewertungen zustande kommen, ist dabei Pflicht für alle Module. Diese Anforderung ergibt sich daraus, dass die Erzählung des Entscheidungsraums nur im Vertrauen darauf entsteht, Beschreibungen verlässlich deuten zu können. Eine gelungene Modularisierung kann hier zur Transparenz und damit zur Verlässlichkeit beitragen.

Muster für den Umgang mit Komplexität

In der Art, wie Codierungen mit Komplexität umgehen, lässt sich ein allgemeines Muster zum Umgang mit Komplexität erkennen. Indem sich ein System auf die Verarbeitung ausgewählter Beobachtungen konzentriert, reduziert es Komplexität innerhalb seiner Grenzen. Damit entsteht beziehungsweise erhöht sich die semantische Komplexität beim Empfänger der vom System verarbeiteten Informationen. Sie gefährdet den Sinn der Informationsverarbeitung. Das System nimmt diese Gefahr als Minderung der Anschlussfähigkeit seiner ausgehenden Kommunikation wahr. Bei Bedarf passt es die Selektion seiner Beobachtungen und Verarbeitungsschritte an, um die Anschlussfähigkeit wieder zu verbessern.

Was bedeutet das?

Beim Motorradfahren ist die Anzahl der Hebel und Eingriffe übersichtlich. Der Bewegungsentwurf, dem ich z.B. in einer Kurve folge, ist zwar eine Fiktion. Meine Beobachtungen und Reaktion sind dagegen aber sehr konkret oder fühlen sich für mich sehr konkret an. Mit etwas Übung kann ich mich auf meine Wahrnehmungen verlassen. Bei der Unternehmenssteuerung ist diese Art der Verlässlichkeit eine Herausforderung.

Verlässlichkeit braucht flexible Berechenbarkeit

Erzählungen sind die effektive Basis für Entscheidungen in Unternehmen. Sie können den sehr verschiedenen Vorstellungen der Erzähler folgen. Daten, Datenverarbeitung, Berechnungen, analytische Verfahren und Modelle sorgen aber dafür, dass es etwas Nachvollziehbares zu erzählen gibt. Sie bestimmen ganz entscheidend darüber, mit welcher Konsistenz, Nachprüfbarkeit und technischen Qualität Erzähler Bewertungen erstellen und zu Erzählungen machen. Sie stellen eine zwar irreale, aber möglichst realistische Realität dar, die Ordnung in das Erzählen bringt und somit unerlässlich ist.

Wir müssen noch mehr tun

Die Herausforderungen, denen Controlling Systeme gegenüberstehen, sind nicht leicht zu bewältigen. Und leider muss ich an dieser Stelle zwei Fragen offenlassen.

  1. Wie werden Unternehmen, oder allgemeiner soziale Systeme, gesteuert? Ich habe eingangs nur ein paar Bedingungen genannt, um die Überlegungen zu Controlling Systemen zu motivieren. Wir sollten aber noch einmal genauer hinsehen, welche Art von Kommunikationen verarbeiten müssen, um wirksam zu steuern.
  2. Ich bin eine Erklärung schuldig, wie wir Bewegungsentwürfe und deren Beschreibungen in ein funktionierendes, modulares Konzept übertragen können. Dafür müssen wir etwas weiter ausholen, so dass eine Erklärung hier nicht mehr Platz findet.

Bei den beiden offenen Fragen geht es darum, was Sie steuern wollen (Frage 2) und wie Sie steuern wollen (Frage 1). Beide werde ich in weiteren Artikel beantworten.

In der Zwischenzeit: Make your computers fly!

P.S.: Mittlerweiler erschienen ist mein Artikel Soziale Systeme – Gegenstand der Steuerung. Dieser Artikel ist zentral für eine Antwort auf die beiden offenen Fragen. Der Artikel erklärt, dass soziale Systeme der Gegenstand der Steuerung sind, und dass sie als die Module bei der Modellierung von Leistungen betrachtet werden können.

Vernunftordnung und Differenzenlogik – die Verhandlung von Entscheidungsgrundlagen

Vernunftordnung und Differenzenlogik – die Verhandlung von Entscheidungsgrundlagen

Was bedeutet Rationalität, wenn Unsicherheit nicht beseitigt werden kann?

Bei der Beschreibung und Codierung von Bewegungsentwürfen gibt es zwei Ursachen, die dazu beitragen, dass Entscheidungen auf ihrer Basis unsicher bleiben.

  • Erstens sind präzise Vorhersagen in der Ökonomie grundsätzlich nicht möglich. Sie beziehen sich nämlich auf Erwartungen, die auch von den Erwartungen anderer Marktteilnehmer abhängen.
  • Zweitens bleibt die Formulierung und Codierung von Bewegungsentwürfen eine Frage der Sichtweise, der Auslegung von Bedeutungen und der Verständigung auf Annahmen.

Kenntnisse, Einschätzungen, Präferenzen sind bei unterschiedlichen Empfängern nicht gleich. So liefert eine Codierung nur scheinbar eindeutige Antworten: die Reduktionen der Codierung eröffnen zusammen mit der generellen Unvorhersehbarkeit zukünftiger Gegenwarten ein Spannungsfeld von Bewertungen. Diese können nicht mehr in falsch und richtig eingeordnet werden. Wir müssen also davon ausgehen, dass es auch bei dem Versuch, eine gemeinschaftliche Erzählung eines Entscheidungsraums zu erstellen, zu unterschiedlichen Auffassungen kommt. Und keine von von ihnen kann noch beanspruchen, allgemeingültig zu sein. (Zur gemeinschaftlichen Erzählung von Entscheidungsräumen als plausibilisierte Quasigewissheit: Priddat, Erwartung, Prognose, Fiktion, Narration; Zur Epistemologie des Futurs in der Ökonomie, Metropolis-Verlag.)

Rekonstruktion von Rationalität

Damit stellt sich auch die Rationalität von Entscheidungsgrundlagen anders dar. Sie kann sich nicht mehr ausschließlich auf ein Vernunftmodell von Ordnung stützen, in dem es ein von allen geteiltes Wissen gibt. Sie muss eine Balance mit den Differenzen der Bewertungen finden. In dieser ist sowohl fokussierte Argumentation als auch die Legitimierung vertretbarer andere Sichtweisen möglich. Das ist besonders deshalb zu beachten, weil mit der Erzählung des möglichen Entscheidungsraums auch eine Vertrauensarena geschaffen werden soll. Hierin dürfen sich Entscheider gemeinschaftlich legitimiert zutrauen, eine Entscheidung zu treffen.

Bei den Erläuterungen der beiden Pole von Einvernehmen und Anerkennung nehme ich noch einmal Bezug auf das Modell einer abstrakten Cash-Flow erzeugenden Maschine. In dem Modell codiere ich Investitionen mit dem ROI auf Basis eines discounted cash-flow Methode. Siehe auch den Beitrag „Automatisierung im Spannungsfeld von Reduktion und Emergenz“.

Vernunft

Eindeutigkeit und Orientierung

In einer Ordnung, die davon ausgeht, dass es möglich ist, durch Argumentation den bestmöglichen Standpunkt für eine Entscheidung zu finden, spielt die Vorstellung von Vernunft eine große Rolle. Zustimmung wird demjenigen Standpunkt zugesprochen, von dem man annimmt, dass er sich aus einem allgemein einsehbaren Grund folgern lässt. So werden legitime Gründe und Sachpositionen knappgehalten und andere Positionen zur Rechtfertigung gezwungen. Auftretende Differenzen werden durch Begründung vernünftiger und Verweigerung der Anerkennung irrationaler Standpunkte reduziert. Geteiltes Wissen folgt dem Wunsch nach Eindeutigkeit und Orientierung.

Am Beispiel der Codierung von Cash-Flow Vorhersagen durch den ROI bedeutet dies, dass Annahmen und Einschätzungen als begründet und ausreichend sicher akzeptiert werden. Anwendungsfälle, in denen sich die einzelnen Investitionen, die miteinander verglichen werden sollen, nicht groß voneinander unterscheiden, erreichen dieses Ziel.

Unsicherheit macht Einigkeit unwahrscheinlich

In einer Situation, in der grundsätzliche Unsicherheit besteht, ist die Koordination durch geteiltes Wissen aber ein unwahrscheinlicher Mechanismus sozialer Handlungskoordination. Er bestärkt eventuell bestehende tiefliegende Konflikttendenzen. Außerdem läuft er grundsätzlich Gefahr, mögliche Kapazitätsgrenzen der Kommunikation zu sprengen, weil einfach nicht alles diskutiert werden kann. Mit der Zumutung der Umorganisation von Überzeugungen erreicht er im schlimmsten Fall die Belastungsgrenzen der Teilnehmer.

Bei der Bewertung von Cash-Flow-Vorhersagen treten unterschiedliche Auffassung häufig auf, wenn sehr unterschiedliche oder sehr individuelle Investitionen bewertet werden sollen. Investitionen im Projektgeschäft sind ein solcher Fall. Abgesehen davon, dass Projektverläufe und die aus ihrem Ergebnis zu erwartenden Geld-Rückflüsse nur sehr schwer vorherzusagen sind, verknüpfen sich Projekte häufig mit nicht-monetären und individuellen Erwartungen, die einen Einfluss auf die Beurteilung monetärer Aspekte nehmen. Dieser Einfluss ist oft kaum aufzulösen.

Bei Gelingen starke Koordination

Im Erfolgsfall ermöglichen Zustimmung und geteiltes Wissen jedoch eine starke Form der Handlungskoordination.

Anerkennung

Legitimität anderer Sichtweisen

Mit der Verständigung auf unterschiedliche Standpunkte erfolgt eine Ausweitung der legitimerweise vertretbaren Sichtweisen. Auf die Anerkennung von Differenz zielende Erzählungen vergegenwärtigen einen lebensweltlichen Kontext, aus dem heraus unterschiedliche Sprecherpositionen nachvollziehbar gemacht werden. Sie erreichen damit die Bestätigung von Individualität, einen Bereich einer vom System anerkannter abweichender Rationalität und eine normative Legitimität von Differenz.

Das lässt sich wieder gut an der Situation im Projektcontrolling erläutern. Ein Bewegungsentwurf, der aus der Vorhersage von Cash-Flows besteht, kann gut in die verschiedenen Lebenszyklus-Phasen des Projektes zerlegt werden. Gibt es verschiedenen Auffassungen über die Cash-Flows einzelner Phasen, dann kann die Vorhersage hier in Alternativen formuliert und bei der Analyse berücksichtigt werden. Tritt dieser Fall an mehreren Stellen auf, dann lässt sich sogar eine Verteilung möglicher ROIs aufstellen. Auf jeden Fall sollte die Differenz Anlass zum Gespräch und vielleicht zur Erhebung weiterer Informationen sein.

Die Anerkennung von Differenz kann in einer Situation der Unbestimmtheit entscheidend sein für eine gemeinschaftliche Erzählung der gegenwärtigen Zukunft. Differenzen greifen möglicherweise Risiken und Bedenken auf, die zur Vermeidung riskanter oder strittiger Handlungen führt. Auf diese Weise werden Fehleinschätzungen von Bewertungsfragen oder Vorhersagen zwar nicht als solche identifiziert, es besteht aber die Möglichkeit, dass aus Vorsicht allzu kritische Deutungen von Codierungen nicht angewendet werden.

Ein Mindestbestand an Übereinstimmung ist notwendig

Bestimmte Praktiken der Verständigung versagen allerdings auch, wenn ein bestimmter Bestand an Überzeugungen nicht mehr geteilt wird. In unserem Beispiel ist das dann der Fall, wenn die Verwendung der Kennzahl vollständig abgelehnt wird. Einverständnis und Anerkennung ergänzen sich an dieser Stelle. Die Relativierung von Ordnungsansprüchen kann es erlauben, dass thematisch eingegrenzte, fokussierte Argumentationen erfolgreich sind. Sie werden dann als Basis der Handlungskoordination wirksam und entlasten die Alltagskommunikation von Konsenszumutungen.

Im Ergebnis könnten in unserem Beispiel zwar alle Beteiligten die Verwendung des ROI unterstützen. Aber sie identifizieren vielleicht Konstellationen, in denen sie sich nicht auf die Kennzahl verlassen und bei Bedarf auf weitere Informationen zugreifen wollen. Diese gemeinschaftliche Einschätzung schafft dann genau die Vertrauensarena, innerhalb derer die Gemeinschafft das Treffen von Entscheidungen legitimiert.

Was bedeutet das?

Differenzierte Entscheidungsräume

In Situationen, in denen Unsicherheit eine eindeutige Einschätzung verhindert, treten fast immer unterschiedliche Sichtweisen auf. Das ist nicht zu verhindern und auch weiter kein Problem, solange sie den Anlass bieten, den Ursachen in weiteren Gesprächen oder Analysen auf den Grund zu gehen. Oder sie werden als Unterschiede akzeptiert und stecken damit den Entscheidungsraum anders ab. Die Differenz bleibt dann als Unsicherheit im Entscheidungsraum enthalten, ist aber zumindest schon benannt.

Eine weitere Analyse sowie eine differenziertere Gestaltung des Entscheidungsraums setzt zwei Dinge voraus:

(1) Die Beschreibung des Bewegungsentwurfs und seine Codierung sind so weit transparent, dass sie von den Beteiligten nachvollzogen werden können. Eine bessere Kommunikation von Annahmen und Methoden sollte hier bestehende Lücken schließen. Oder eine weitere Berechnung differenziert die Schwachstellen.

(2) Die Zerlegung des Analysegegenstands, hier also des Bewegungsentwurfs, erlaubt eine differenziertere Betrachtung. Sie stellt damit mehr Bereiche zur Verfügung, innerhalb derer Übereinstimmung oder Differenz festgestellt werden kann. Im Idealfall können Bereiche, in denen eine unterschiedliche Einschätzung vorliegt, präzise herausgearbeitet werden. Das stärkt Bereiche, in denen man sich einig ist, so dass sie einen möglichst großen Raum einnehmen.

Ein dynamischer Prozess

Ein auf diese Weise abgesteckter Entscheidungsraum kann eine gewisse Zeit eine stabile Basis für Entscheidungen sein. Üblicherweise bleiben die Verhältnisse aber nicht über längere Zeiträume stabil. Änderungen können deshalb erwartet werden. Das kann die Bereiche, in denen es zu Differenzen kommt, verschieben und neue Gespräche und Analysen notwendig machen.

Warum ist diese Feststellung interessant?

Für einen Praktiker aus dem Controlling ist es sicherlich nicht überraschend, dass die Beteiligten die Entscheidungsräume untereinander aushandeln. Wer Verhandlungen führt, weiß auch, dass es leichter ist, eine Verhandlungslösung zu finden, wenn man den Verhandlungsgegenstand differenziert. Jede Partei hat dann die Möglichkeit, eigene Ziele zu erreichen und gleichzeitig Zugeständnisse zu machen. Und natürlich wissen alle erfahrenen Controller, dass die Verhandlung der Entscheidungsräume ein fortwährender, dynamischer Prozess ist. Es lässt sich nicht verhindern, auch wenn es immer mühsam ist.

Anforderungen an Controlling Systeme

Daraus ergeben sich die folgenden Anforderungen an Informationssysteme im Controlling:

  1. Informationsprozesse müssen transparent sein. Die Klärung von Hintergründen und Details macht es erforderlich, bei Bedarf an verschiedenen Stellen weitere Informationen und Verfahren einzubauen. Es ist nicht vorhersehbar, wann und wo der Bedarf entsteht.
  2. Informationsprozesse müssen eine flexible Basis für die Verhandlung von Entscheidungsgrundlagen sein. Auch hieraus ergibt sich die Anforderung, Informationen bei Bedarf weiter differenzieren zu können. Und eventuell muss die Informationsversorgung auch mal wieder vereinfacht werden.
  3. Die Architektur von Controlling-Systemen sollte diese Anforderungen unterstützen. Ich favorisiere dafür modulare Konzepte. Aber das müssen wir ein anderes mal aufgreifen.

In der Hoffnung, dass beim nächsten Mal alles besser wird:
Make your Computers fly!

Automatisierung im Spannungsfeld von Reduktion und Emergenz

Automatisierung im Spannungsfeld von Reduktion und Emergenz

Wie stellen Controller eine Entscheidungsgrundlage her und wie kann sie durch Controlling-Prozesse automatisiert werden?

Der Steuerung liegt immer ein Bewegungsentwurf zugrunde. Er bezieht sich auf eine zukünftige Gegenwart und liefert eine Begründung für die zu treffenden Entscheidungen. Man nennt das eine Entscheidungsgrundlage. Sie wird meist vom Controlling bereitgestellt. Die Beschreibung ist dabei immer unsicher, weil die zukünftige Gegenwart nicht mit der gegenwärtigen Zukunft übereinstimmen muss.

Beispiel

Um den Vorgang zu erklären, wählen wir als Beispiel eine Cash-Flow generierenden Maschine. Sie wird im Rahmen einer Investitionsentscheidung beschafft und erzeugt dann in der Folge Cash-Flows. Im Beispiel soll dies eine abstrakte Maschine sein, so dass die Cash-Flows genauso aus der Investition in einen Kundenkredit, aus der Investition in eine Aluminium Strangpressmaschine oder aus dem Erwerb eines ganzen Unternehmens stammen können. Der Bewegungsentwurf für eine solche Investition besteht in unserem Beispiel deshalb aus Cash-Flows. Die Investition erzeugt Cash-Flows im Zeitpunkt der Investition und die abstrakte Maschine erzeugt sie während ihrer Lebenszeit. Diese Vorstellung enthält eine weitere Abstraktion. Denn es interessiert uns nicht nur nicht, was für eine Maschine die Cash-Flows erzeugt. Sondern auch alle anderen nicht-monetären Motive spielen keine Rolle. Diese Feststellung ist wichtig für unser Beispiel.

Codierung als Reduktion

Codierung

Die Allgemeinheit des Beispiel-Modells ist wichtig, weil ich jetzt versuchen kann, verschiedene Investments miteinander zu vergleichen. Um das zu tun, erstelle ich die Kennzahl „Return on Investment“ (ROI), die ich mit der Discounted-Cash-Flow Methode errechne. Dabei werden die im Bewegungsmodell erwarteten Cash-Flows mit einem risikoadjustierten Zins auf den Anfangszeitpunkt der Investition diskontiert und dem Investment gegenübergestellt. Das ist grundsätzliche eine einfache Methode, die jedem Investment einen Wert zuweist, der es codiert.

Entscheidungsgrundlage

Wenn ich in der Rolle eines Entscheiders bin, der Investitionsentscheidungen trifft, ohne sich um die Zusammensetzung des eingesetzten Kapitals kümmern zu müssen, kann ich die Investments jetzt nach ihrem ROI sortieren und mich z.B. für die Investments mit dem höchsten ROI entscheiden. Die Kennzahl stützt sich auf ein klares, methodisch sauberes Konzept, das eine wirksame Basis für eine Erzählung zur Entscheidung liefert. Sie kann wenigstens prinzipiell konsensfähig sein.

Probleme im Detail

Die Probleme liegen hier jedoch im Detail. In die Berechnung des ROI gehen viele Annahmen z.B. darüber ein, mit welchen Cash-Flows in der Zukunft zu rechnen ist. Der ROI unterstellt außerdem, dass es bei der Investitionsentscheidung ausschließlich um einen berechenbaren Geldwert geht, dass Nebenziele z.B. aus einem sozialen Engagement (soweit man sie nicht ebenfalls in Geldwerte umrechnen will) keine Rolle spielen. Zuletzt ist auch der risikoadjustierte Diskontzins alles andere als eindeutig bestimmbar. Er hängt ab vom Risiko des Investments. Damit bestimmt sich der Zins aus einer Risikoeinschätzung der zukünftigen Cash-Flows sowie einer Preiseinschätzung für diese Risiken.

Die Kennzahl reduziert als eine Codierung ihre Aufmerksamkeit auf ausgewählte Effekte und ignoriert alles andere. Das macht sie effizient und nachvollziehbar. Über ihre Berechnungsvorschrift kann ich die Erzeugung der Kennzahl automatisieren. Wenn sie meine Entscheidungsgrundlage darstellt, dann kann ich die Entscheidungsgrundlage automatisiert erzeugen.

Semantische Komplexität

Bei geringen Unterschieden gut anwendbar

Es ist klar, dass sich die Bedeutung des Wertes, den unsere Kennzahl ausweist, nicht unmittelbar jedem Empfänger erschließt. Die Bewertung funktioniert noch gut, wenn ich mit dem gleichen Rechenverfahren sehr ähnliche Investments bewerte und ihre Codierung durch die Kennzahl vergleiche. Das könnten z.B. gleichartige, festverzinsliche Wertpapiere sein, die von ähnlichen Emittenten stammen und sich im Wesentlichen in ihrer Restlaufzeit unterscheiden. Ich kann den ROI dann einfach als Aussage über den Vergleich auffassen, ohne dass ich seinen Wert als eine absolute Größe einordne.

Mit den Unterschieden wachsen die Schwierigkeiten

Sobald die Unterschiede zwischen den Investitionen größer werden, muss ich mich aber fragen, ob die von mir getroffenen Annahmen der Berechnung einen Vergleich noch zulassen. Jeder andere Nutzer der Codierung kennt vielleicht noch nicht einmal meine Annahmen. Er stellt sich zusätzlich die Frage, ob die Annahmen überhaupt zuverlässig und außerhalb von Interessenkonflikten getroffen worden sind.

Die Interpretation ist entscheidend

Wir sprechen hier von semantischer Komplexität, weil es um die Bedeutung des Zeichens (hier dem ROI als Wert) geht, mit dem wir das Investment codiert haben. Die unbeantwortbaren Fragen sorgen dafür, dass die Codierung erstens hätte anders ausfallen können. Und zweitens sorgen sie dafür, dass der Empfänger die Deutung der Kennzahl nach seinem eigenen Kenntnisstand vornehmen muss. Von dem weiß er aber nicht, ob er für eine verlässliche Bewertung ausreicht. Wenn der Empfänger der Codierung die hierdurch entstehende Unsicherheit über die Bedeutung der Kennzahl nicht ausreichend verarbeiten kann, dann wird das Ziel, eine Entscheidung mit der Beschreibung des Bewegungsentwurfs zu rechtfertigen, nicht mehr erreicht.

Was bedeutet das?

Codierung führt immer zu semantischer Komplexität

Die Voraussetzung für die Automatisierung von Entscheidungsgrundlagen besteht darin, dass die Beschreibung von Bewegungsentwürfen codiert wird. Die Codierung basiert dabei auf der Abstraktion des Bewegungsentwurfs, in unserem Beispiel der selektiven Beobachtung von Cash-Flows, und der Projektion der Cash-Flows auf einen Wert, den ich z.B. nach seiner Größe ordnen kann. In unserem Beispiel ist dieser Wert der ROI. Selbstverständlich hätte man jede Entscheidung der Abstraktion und der Projektion auch anders treffen können, aber das ist hier nicht entscheidend. Wichtig ist, dass die Codierung der Entscheidungsgrundlage an anderer Stelle, nämlich beim Empfänger, zu einer semantischen Komplexität führt, die der Empfänger bearbeiten muss. Das passiert immer, egal welche Entscheidungen ich bei der Codierung treffe.

Das Ziel ist gefährdet, kann aber gerettet werden

Maßnahmen, die zur Automatisierung von Entscheidungsgrundlagen getroffen werden, müssen also damit rechnen, dass es für den Nutzer der Entscheidungsgrundlage schwieriger wird, die Bedeutung der Codierung einzuordnen und sie richtig einzusetzen. Sie laufen damit Gefahr, für die Rechtfertigung von Entscheidungen weniger relevant zu werden. Das ist nicht immer der Fall. Und es können Maßnahmen ergriffen werden, die es den Nutzern von Entscheidungsgrundlagen erleichtern, die Komplexität zu behandeln.

Maßnahmen zur Behandlung von semantischer Komplexität

Abhilfe ist in dieser Situation an zwei Stellen möglich.

Erleuterung der Bewertung

Erstens kann neben der Kennzahl eine Erläuterung ihrer Berechnung und der in die Berechnung eingeflossenen Annahmen kommuniziert werden. Das wird außerdem erreicht, wenn die Berechnung weiter differenziert wird. Bei der Investition in eine Aluminium Strangpressmaschine können die erwarteten Cash-Flows z.B. in Gruppen eingeteilt werden, je nachdem ob ein kompliziertes oder ein einfaches Presswerkzeug eingesetzt wird. Die Absatzmärkte und Margen unterscheiden sich für diese Gruppen, so dass die Differenzierung einen besseren Einblick in Chancen und Risiken verschafft. Die Erläuterung von Annahmen kann z.B. enthalten, auf welche Weise der Diskontzins abgeleitet oder ermittelt wird. Diese Zusatzinformation erleichtert den Vergleich mit anderen Bewertungen. Erläuterung und Differenzierung schließen potenzielle Lücken bei der Nachvollziehbarkeit der Bewertung.

Fine Tuning durch Verwendung

Zweitens kann sich ein Zutrauen in die Bewertung der Kennzahl durch wiederholte Verwendung und Rückschau der Ergebnisse entwickeln. Vertrauen entsteht dann durch positive Erfahrungen mit der Verlässlichkeit und Vorhersagekraft der Kennzahl. Die Analyse und Diskussion von Ursachen im negativen Fall und falls hilfreich die Anpassung der Berechnungsverfahren vergrößert die Chancen auf positive Erfahrungen und die Wirksamkeit der Kennzahl. Gleichzeitig stärken sie das nötige Wissen zur Interpretation der Kennzahl.

In diesem zweiten Maßnahmenbündel wird die Herstellung der Kennzahl zum Thema der Analyse, die zur Anpassung der Beobachtung bzw. Beschreibung des Bewegungsentwurfs führt. Stellen wir z.B. als Investor einer Strangpressmaschine fest, dass die Margen bei der Produktion von Aluminiumsträngen mit einfachen Werkzeugen niedriger ausfallen als ursprünglich angenommen, dann können wir diese Annahme anpassen. Oder wir stellen fest, dass unsere Kunden Zahlungsfristen für Rechnungen regelmäßig überziehen. Dann richten wir den Bewegungsentwurf, der den zeitlichen Verlauf der Cash-Flows beschreibt, an der neuen Beobachtung aus.

Das grundsätzliche Problem bleibt zwar bestehen, dass unser Bewegungsmodell Unsicherheiten enthält und damit Komplexität in die Deutung der Kennzahl verschiebt. Die Verwendung und Deutung der Kennzahl entwickelt sich aber in einem evolutionären Prozess zu einem verlässlicheren Verfahren, das nicht-anschlussfähige Berechnungen, Annahmen und Auslegungen mit der Zeit eliminiert.

Warum ist diese Feststellung interessant?

Meine Beschreibung, zu welchen Effekten die Verwendung von Kennzahlen führt, ist nicht gerade weltbewegend. Immerhin wissen wir jetzt, dass Kennzahlen erklärt werden müssen. Wozu also die Mühe und die Verknüpfung mit den Fremdwörtern?

Anforderungen an Informationssysteme im Controlling
  1. Informationssysteme müssen sich darauf einstellen, Nutzern Kennzahlen zu erläutern und deren Bedeutung zu differenzieren. Unschärfen von Deutungen werden dabei nicht immer an den gleichen Stellen auftreten. Das macht es erforderlich, je nach Bedarf, an anderen Stellen detailliertere Informationen einzubauen.
  2. Wenn sich das Zutrauen in Kennzahlen durch praktische Übung verbessern soll, dann ist es auch notwendig, Anpassungen an der Berechnung zu ermöglichen. Dazu muss die Berechnung in den Informationssystemen transparent sein und Änderungen erlauben.
Muster für die Behandlung von Komplexität

Der Vorgang, den ich hier beschrieben habe, ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir Komplexität behandeln. Das ist in der soziologischen Systemtheorie ausführlich beschrieben. Wir haben hier ein einfaches Beispiel gesehen. Die Systemtheorie liefert aber Erklärungen auch für kompliziertere Zusammenhänge, die wir an anderer Stelle gut gebrauchen können.

  1. Sie hilft uns z.B. Anforderungen an Controlling-Systeme zu formulieren und dabei Begründung und Vollständigkeit zu prüfen.
  2. Sie zeigt uns Potenzial und Grenzen von Automatisierungen und kann auf Möglichkeiten für den Einsatz künstlicher Intelligenz hinweisen, bei der wir nicht fürchten müssen, nicht mehr Herr unserer Erzählungen zur Steuerung zu sein.
  3. Und, was mir wichtig ist: Systemtheorie ist keine Wissenschaft, die sich auf weichen Faktoren beschränkt. Ich habe ganz absichtlich ein Beispiel gewählt, das sich auf monetäre Faktoren bezieht und dabei ein großes mathematisches Gewicht haben kann. Das passt gut zusammen.

In dem Beitrag Komplexität managen mit Operationaler Abgeschlossenheit habe ich das Muster zur Handhabung von Komplexität weiter beschrieben. Der Text ist etwas umfangreich, behandelt dafür aber auch Auswirkungen und Anwendungen der Abgeschlossenheit.

In diesem Sinne: Make your Computers fly!

Eine englische Version des Beitrags habe ich auf LinkedIn unter dem Titel „Automation between reduction and emergence“ gepostet.

Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung:
Tel. +49-160 5438306 oder
per mail an frank@fp-consulting.org

Vollständige Kontrolle ist eine Illusion

Vollständige Kontrolle ist eine Illusion

Ich fahre gerne Motorrad. Aus Erfahrung weiß ich, dass die vollständige Kontrolle aller Fahrbedingungen beim Motorrad – leider – nicht zu erreichen ist. Das hat das Motoradfahren mit der Steuerung von Unternehmungen gemeinsam.

Die vollständige Kontrolle der Fahrt ist beim Motorrad nicht möglich, weil man es mit verschiedenen Ungewissheiten zu tun hat. Als erstes ist es nicht möglich, festzustellen, was genau eine „richtige“ Steuerung des Motorrads wäre. Man kennt das aus der Diskussion um „richtige“ Kurvenlinien und manchmal auch von den Stammtischen, wie ein Motorrad überhaupt durch eine Kurve gelenkt wird. Dazu kommen unbekannte Umweltbedingungen, wie der Straßenbelag, mögliche Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer. Und obendrein bleibt das Motorrad nur stabil, solange man es fährt. Wenn man es nicht fährt, dann fällt es um.

Anders als bei der Unternehmenssteuerung gibt es beim Motorrad nur eine begrenzte Zahl von Steuerungsmöglichkeiten: Gas, Bremse, Kupplung und zwei Lenkerenden, die ich je nachdem, in welcher Richtung ich eine Kurve fahren will, auf der rechten oder linken Seite nach vorne drücke. Die Risiken sind klar zu benennen: dass die Fahrt ungewollt endet, z.B. weil das Motorrad dazu neigt, eine rutschige Stelle auf der Straße mit allen seinen Teilen genauer inspizieren zu wollen.

Steuerung während der Fahrt

Aufgrund der übersichtlichen Anzahl von Hebeln für die Steuerung lässt sich der Ablauf gut beschreiben. Bevor ich z.B. eine Kurve fahre, mache ich mir immer eine Vorstellung von dem Bewegungsauflauf, der dafür erforderlich ist. Das gilt auch, wenn mir das nicht so bewusst ist. Ich sehe mich, bevor ich die Kurve erreiche, quasi schon selbst, wie ich die Kurve fahre. Ich nenne das einen Bewegungsentwurf.

Während der Fahrt durch die Kurve vergleiche ich meine Beobachtungen mit dem Bewegungsentwurf, und reagiere, wenn es zu relevanten Abweichungen kommt. Entweder passe ich meine Steuerung so an, dass ich dem Bewegungsentwurf wieder näherkomme, oder, was seltener der Fall ist, weil meistens schnell gehandelt werden muss, ich verändere den Bewegungsentwurf noch einmal. Der zweite Fall tritt vor allem dann ein, wenn sich der ursprüngliche Bewegungsentwurf z.B. wegen eines Hindernisses nicht mehr ausführen lässt. Es hilft mir dann, wenn ich mich auf ein Reaktionsmuster für solche Fälle vorbereitet habe. Man kann solche Situationen vorher gedanklich durchgehen und in manchen Fällen auch konkret üben.

Wegen der nicht erreichbaren vollständigen Kontrolle über die Situation während der Fahrt, bleiben Risiken, die es klein zu halten, aber auch zu akzeptieren gilt. Um die Risiken zu begrenzen, setze ich z.B. intelligente Technik in Form eines kurvenabhängigen ABS ein, trage immer gute Schutzkleidung und bereite mich mental und durch Übungen auf unvorhergesehene Situationen vor.

Bewegungsentwurf in Form einer Erzählung

Zentral für die Steuerung ist der Bewegungsentwurf. Bei Unternehmungen in einem sozialen Umfeld, in dem genaue Vorhersagen praktisch unmöglich sind, entsteht der Bewegungsentwurf als gemeinschaftliche Erzählung mit einer plausibilisierten Quasigewissheit: Die Plausibilität erlaubt es, auf hinreichende Gründe für Entscheidungen zu vertrauen, während die Gemeinschaftlichkeit der Erzählung vor allem die Anschlussfähigkeit von Entscheidungen wahrscheinlicher macht. Prognose wird nun anders interpretiert: Nicht mehr als Vorhersage einer zukünftigen Gegenwart, sondern als Erzählung eines möglichen Entscheidungsraums, den man sich gemeinschaftlich festlegt. Die Erzählung generiert eine fiktive Gewissheit, die ausreicht, zu entscheiden (Birger P. Priddat, Erwartung, Prognose, Fiktion, Narration; Zur Epistemologie des Futurs in der Ökonomie, Metropolis-Verlag).

Elena Esposito hat genauer erläutert, wie das geschieht. Sie beschreibt, wie z.B. die Fiktionen eines Romans auf die Wirklichkeit zurückwirken. In der explizit fiktiven Realität des Romans kann sich ein Leser zurechtfinden, weil der Roman auf präzise, überprüfbare und nicht willkürliche Weise eine Welt beschreibt, die nicht existiert. Die Fiktion wirkt wie ein Spiegel, in dem die Gesellschaft ihre eigene Kontingenz reflektiert. Wahrscheinlichkeitstheoretische Modell funktionieren ebenso. Sie stellen eine irreale, aber realistische Realität dar, gerade weil sie diese vereinfachen und auf diese Weise eine regelmäßigere und besser geordnete Realität zur Verfügung stellen, die nicht „zirkulär“ und um die Wechselwirkungen zwischen Beobachtern und Zeithorizonten bereinigt ist (Elena Esposito, Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Suhrkamp).

Bewegungsentwürfe sind ein zentraler Bestandteil bei vielen Aktivitäten, die eine Steuerung verlangen. Bei der Steuerung von Unternehmen sind sie jedoch abstrakt und geprägt durch die kooperative Informationsverarbeitung in sozialen Systemen. Klassische Controlling Aufgaben und quantitative Methoden sind dabei ebenso wichtig, wie die richtige Erzählung.

Ich nehme die Fragen, wie in Unternehmen gesteuert wird und welche Anforderungen sich an die Gestaltung von Controlling Systemen ergeben, in weiteren Artikeln auf. Bisher erschienen sind:

Weitere Artikel werden folgen.